Spielregeln und Spielzüge

Von Führungskräften wird heute gefordert, dass ihre Handlungen zugleich wirtschaftlich und ethisch zu rechtfertigen sind. Die ist möglich, wenn zwischen der Wirtschaftsordnung (Spielregeln) und den Handlungen (Spielzügen) unter­schieden wird. Die wirtschaftliche Rechtfertigung kann man dann auf die Spiel­züge beziehen und die ethische Rechtfertigung auf die Spielregeln. Die heute lautstark vorgetragene Forderung nach mehr Ethik ist dann anhand durchsetz­barer Korrekturen der Wirtschaftsordnung möglich.

Anreizethik

Die Gültigkeit einer Wirtschaftsordnung setzt einen allgemeinen Konsens über die Spielregeln und die Durchsetzungsinstanzen (Justiz, Kartellamt) voraus. Dann regelt sie den Wettbewerb und nötigt Anbieter, sich an den Interessen der Nachfrager zu orientieren und dabei auf einen effizienten Ressourceneinsatz zu achten. Das individuelle Handeln der Marktteilnehmer orientiert sich also in­nerhalb der einrahmenden Wirtschaftsordnung an den darin befindlichen Anreizen (z. B. Gewinn und Liquidität), daher spricht man von einer Anreizethik. Mit ihr werden wirtschaftliche und ethische Handlungen zugleich realisierbar.

Folgenreiche Frage

Ethisch unerwünschte Handlungen (Spielzüge) werden dann allein auf Defizite der Wirtschaftsordnung (Spielregeln) zurückgeführt. Und Verbesserungen sind allein durch begründete, vereinbarte Korrekturen der Wirtschaftsordnung möglich. Die Geltung der vereinbarten Spielregeln verlangt von den Beteiligten einen allgemeinen Konsens, der sich auch auf die Durchsetzungsinstanzen (Schiedsrichter, z. B. die Justiz oder das Kartellamt) erstreckt, die regelkonform alle Handlungen sanktionieren, die die Spielregeln in irgendeiner Form missachten. Die folgenreiche Frage lautet also: Auf welcher Basis ruht der nötige Konsens über die Geltung von Spielregeln, Spielzügen und regelkonform sanktionierenden Schiedsrichtern?

Der freiheitliche Staat kann diese Basis nicht sein. Er lebt davon, dass sich die gewährten Freiheiten aus der moralischen Substanz des einzelnen Akteurs und aus der Homogenität der Gesellschaft selber reguliert. Ein Staat, der dies versucht, würde er in einen Totalitätsanspruch verfallen und könnte nicht weiter die Ordnung der Freiheit sein. [1] Man schaue einfach einmal nach China. 

Hilfreiche Antwort

Die entscheidungsorientierte BWL zeigt Möglichkeiten der Ableitung eines von den Prozessbeteiligten getragenen Konsenses. Statt nur im Interesse der Anteilseigner eine Steigerung des Marktwertes des Eigenkapitals zu erreichen (Shareholder Value) werden Methoden für mehrkriteriellen Mehrpersonen-Entscheidungen entwickelt, die auch heterogene Interessen von internen und externen Anspruchsgruppen berücksichtigen (Stakeholder Value).

Damit können sowohl die Interessen (bzw. Ziele) von Eigen- und Fremd­kapitalgebern, die zumeist auf eine kurzfristige Rentabilität zur Abdeckung des unternehmerischen Risikos konzentriert sind, als auch die Interessen der Anspruchsgruppen, die eher auf eine Beschränkung des wirtschaftenden Akteurs oder auf eine langfristige Teilhabe an den Verfügungsrechten des erwirtschaf­teten Erfolgs bezogen sind, in die Konsensfindung integriert werden. Es handelt sich dabei um ein Problem der gut dokumentierten Mehrziel-Entscheidung [2].

Mit Kenntnissen aus der entscheidungsorientierten BWL und ihren Methoden können Führungskräfte in der Wirtschaft ihre Handlungen mit der Erwartung der langfristig optimierten Rendite begründen, denn getroffene Entscheidungen werden für Stakeholder (insb. Kunden und Lieferanten) nachvollziehbar und damit tragfähig. Spielregeln und Spielzüge werden so wirtschaftlich und ethisch gerechtfertigt.

 

Zusammenfassung
Die Geltung vereinbarter Spielregeln verlangt einen allgemeinen Konsens, der sich auch auf regelkonforme Durchsetzungsinstanzen erstreckt. Die entscheidungsorientierte BWL bietet Möglichkeiten der Herleitung eines von den Prozessbeteiligten getragenen Konsenses. Dabei werden die heterogenen Ziele von Kapitalgeber und Anspruchsgruppen integriert. So werden tragfähige Lösungen möglich.

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[1] Böckenförde, E.-W. (1967): Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation. Das Skript zu einem Ferienseminar wurde 1967 in der Festschrift für Forsthoff zu dessen 65. Geburtstag, „Säkularisation und Utopie“, veröffentlicht (S. 75-94). Dieser Text wiederum findet sich in: Beckenförde, E-W. (1991): Recht, Staat, Freiheit, Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 92-113, hier S. 112f.

[2] Rommelfanger, H. J./Eickemeier, S. H. (2002): Entscheidungstheorie. Klassische Konzepte und Fuzzy-Erweiterungen, Berlin/Heidelberg: Springe, S. 133 ff.