Spielregeln und Spielzüge

Von Führungskräften wird heute gefordert, dass ihre Handlungen zugleich wirtschaftlich und ethisch zu rechtfertigen sind. Die ist möglich, wenn zwischen der Wirtschaftsordnung (Spielregeln) und den Handlungen (Spielzügen) unter­schieden wird. Die wirtschaftliche Rechtfertigung kann man dann auf die Spiel­züge beziehen und die ethische Rechtfertigung auf die Spielregeln. Die heute lautstark vorgetragene Forderung nach mehr Ethik ist dann anhand durchsetz­barer Korrekturen der Wirtschaftsordnung möglich.

Anreizethik

Die Gültigkeit einer Wirtschaftsordnung setzt einen allgemeinen Konsens über die Spielregeln und die Durchsetzungsinstanzen (Justiz, Kartellamt) voraus. Dann regelt sie den Wettbewerb und nötigt Anbieter, sich an den Interessen der Nachfrager zu orientieren und dabei auf einen effizienten Ressourceneinsatz zu achten. Das individuelle Handeln der Marktteilnehmer orientiert sich also in­nerhalb der einrahmenden Wirtschaftsordnung an den darin befindlichen Anreizen (z. B. Gewinn und Liquidität), daher spricht man von einer Anreizethik. Mit ihr werden wirtschaftliche und ethische Handlungen zugleich realisierbar.

Folgenreiche Frage

Ethisch unerwünschte Handlungen (Spielzüge) werden dann allein auf Defizite der Wirtschaftsordnung (Spielregeln) zurückgeführt. Und Verbesserungen sind allein durch begründete, vereinbarte Korrekturen der Wirtschaftsordnung möglich. Die Geltung der vereinbarten Spielregeln verlangt von den Beteiligten einen allgemeinen Konsens, der sich auch auf die Durchsetzungsinstanzen (Schiedsrichter, z. B. die Justiz oder das Kartellamt) erstreckt, die regelkonform alle Handlungen sanktionieren, die die Spielregeln in irgendeiner Form missachten. Die folgenreiche Frage lautet also: Auf welcher Basis ruht der nötige Konsens über die Geltung von Spielregeln, Spielzügen und regelkonform sanktionierenden Schiedsrichtern?

Der freiheitliche Staat kann diese Basis nicht sein. Er lebt davon, dass sich die gewährten Freiheiten aus der moralischen Substanz des einzelnen Akteurs und aus der Homogenität der Gesellschaft selber reguliert. Ein Staat, der dies versucht, würde er in einen Totalitätsanspruch verfallen und könnte nicht weiter die Ordnung der Freiheit sein. [1] Man schaue einfach einmal nach China. 

Hilfreiche Antwort

Die entscheidungsorientierte BWL zeigt Möglichkeiten der Ableitung eines von den Prozessbeteiligten getragenen Konsenses. Statt nur im Interesse der Anteilseigner eine Steigerung des Marktwertes des Eigenkapitals zu erreichen (Shareholder Value) werden Methoden für mehrkriteriellen Mehrpersonen-Entscheidungen entwickelt, die auch heterogene Interessen von internen und externen Anspruchsgruppen berücksichtigen (Stakeholder Value).

Damit können sowohl die Interessen (bzw. Ziele) von Eigen- und Fremd­kapitalgebern, die zumeist auf eine kurzfristige Rentabilität zur Abdeckung des unternehmerischen Risikos konzentriert sind, als auch die Interessen der Anspruchsgruppen, die eher auf eine Beschränkung des wirtschaftenden Akteurs oder auf eine langfristige Teilhabe an den Verfügungsrechten des erwirtschaf­teten Erfolgs bezogen sind, in die Konsensfindung integriert werden. Es handelt sich dabei um ein Problem der gut dokumentierten Mehrziel-Entscheidung [2].

Mit Kenntnissen aus der entscheidungsorientierten BWL und ihren Methoden können Führungskräfte in der Wirtschaft ihre Handlungen mit der Erwartung der langfristig optimierten Rendite begründen, denn getroffene Entscheidungen werden für Stakeholder (insb. Kunden und Lieferanten) nachvollziehbar und damit tragfähig. Spielregeln und Spielzüge werden so wirtschaftlich und ethisch gerechtfertigt.

 

Zusammenfassung
Die Geltung vereinbarter Spielregeln verlangt einen allgemeinen Konsens, der sich auch auf regelkonforme Durchsetzungsinstanzen erstreckt. Die entscheidungsorientierte BWL bietet Möglichkeiten der Herleitung eines von den Prozessbeteiligten getragenen Konsenses. Dabei werden die heterogenen Ziele von Kapitalgeber und Anspruchsgruppen integriert. So werden tragfähige Lösungen möglich.

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[1] Böckenförde, E.-W. (1967): Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation. Das Skript zu einem Ferienseminar wurde 1967 in der Festschrift für Forsthoff zu dessen 65. Geburtstag, „Säkularisation und Utopie“, veröffentlicht (S. 75-94). Dieser Text wiederum findet sich in: Beckenförde, E-W. (1991): Recht, Staat, Freiheit, Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 92-113, hier S. 112f.

[2] Rommelfanger, H. J./Eickemeier, S. H. (2002): Entscheidungstheorie. Klassische Konzepte und Fuzzy-Erweiterungen, Berlin/Heidelberg: Springe, S. 133 ff.

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Anwendungsorientierung

Entscheidungen über die optimierte organisatorische Wertschöpfung werden oft von mehreren Personen getroffen. Dabei gilt es, sich auf eine gemeinsame Sicht der Ausgangslage, der Randbedingungen und der Minimalbedingungen einer als „gut“ verstandenen Problemlösung zu verständigen. Durch das seit langem bekannten Arrows Unmöglichkeitstheorem weiß man, dass es schon ab drei Alternativen keinen Formalismus gibt, der individuelle Präferenzen konsistent in eine gemeinsamen Präferenzordnung überführt.

 

Unmöglichkeit mit Folgen

Das Errechnen eines optimierten Ergebnisses kann nur der (mathematische) Formalismus vollziehen, der von den Entscheidern erwählt wurde. Da es dafür mehr als zwei gibt, gilt das Unmöglichkeitstheorem auch hinsichtlich der Wahl von einem Formalismus, mit dem ein Ergebnis errechnet werden soll. Daher haben die Entscheider die zu benutzenden Kriterien für einen guten Entscheidungsprozess und für ein als „richtig“ beurteiltes Resultat selber zu definieren, wobei das Urteil über die Richtigkeit der Entscheidung nicht notwendigerweise ein richtiges bzw. wahres Urteil ist. Auf jeden Fall ergibt sich klar und deutlich: Gemeinsame Entscheidungen können nur ausgehandelt und keinesfalls ausgerechnet werden! Kommunikativ auszuhandeln ist in gemeinsamen Entscheidungsprozessen letztlich das Zustandekommen eigener und fremder Beobachtungen, mit denen Ergebnisse erzielt (z. B. Reportings verfasst), Erkenntnisse gewonnen und individuelle Präferenzen getroffen werden.

 

Beobachtung

Möchte die entscheidungsorientierte BWL anwendungsorientiert sein, dann hat sie einen Fokus auf das Gewebe von aufeinander verweisenden (entscheidungsfördernden) Kommunikationen zu legen und auf der Erkenntnisfigur des Beobachters aufzubauen. Zur Dokumentation von Operationen der Beobachtung, mit der etwas von anderem unterschieden wird und dieser Unterschied reproduzierbar wird, verwende ich die Notation des Formkalküls von George Spencer-Brown. Mit ihm kann man die (kognitiven) Unterscheidungen anschreiben, die ein Beobachter vollzogen hat um etwas zu bezeichnen, das er von anderem unterscheidet.

 

Entscheidungsorientierte BWL

Auch der Sachzusammenhang der entscheidungsorientierten BWL kann mit dem Formkalkül beschrieben werden, indem von Beobachtern getroffene Unterscheidungen in eine mathematische Formulierung einer Operation (hier: entscheidungsorientierte BWL) überführt werden, die ein Phänomen (hier: nutzenstiftende Wertschöpfung) reproduziert. Dabei wird jeder verwendete Begriff in einen überprüfbaren Zusammenhang weiterer Begriffe gestellt und die Struktur eines Sachverhalts nahezu simultan dargestellt, ohne an eine Sequenz innerhalb einer Textpassage aus einer Fachpublikation gebunden zu sein.

Abb. 1: Entscheidungsorientierte BWL mit dem Frmenkalkül

 

Beobachtungen und ihre Ergebnisse

Die Notationen des Formkalküls sind von rechts nach links zu lesen. Anhand der gezeigten vier Gleichungen können Beobachtungen der entscheidungsorientierten BWL beschrieben werden. Grundsätzlich geht es um Erkenntnisse über die Gestaltung von Wertschöpfungsprozessen, die für (potentielle) Kunden einen Nutzen stiften. Dies wird in Ausdruck 1 notiert, wobei ganz recht durch das Fragezeichen offenbleibt, für wen genau der Nutzen erbracht wird. Die können z. B. Abnehmen oder Zulieferer sein, der Staat oder Kooperationspartner einer Wertschöpfungskette.

Auf jeden Fall passiert die zu verantwortende Wertschöpfung in Organisationen, dies ist in Ausdruck 2 notiert. Was Organisationen zusammenhält sind Kommunikationen, insbesondere in/von Entscheidungen. Dies besagt Notation 3. Zusammen genommen ergibt sich Notation 4, die folgendermaßen zu lesen: Die anwendungsorientierte BWL befasst sich mit Prozessen der Wertschöpfung in Organisationen, die auf das Generieren von Nutzen hin gestaltet werden und im Kern aus Kommunikationen in/von Entscheidungen bestehen. Hierbei bleibt zunächst offen, für wen der Nutzen gedacht ist.

 

Ausgehandeltes Verständnis

Die Aussprache über das jeweilige Zustandekommen eigener und fremder Beobachtungen der entscheidungsorientierten BWL ermöglicht einen tiefgründigen Austausch von Erkenntnissen, Standpunkten und Meinungen zwischen den unterschiedlichsten Vertretern dieser Fachrichtung. Dies ist nötig, denn nicht nur in der Praxis, sondern auch in der Theorie werden Entscheidungen über die optimierte organisatorische Wertschöpfung zumeist von mehreren Personen getroffen. Dabei gilt es, sich auf eine gemeinsame Sicht der Ausgangslage, der Randbedingungen und der Minimalbedingungen einer als „gut“ verstandenen Problemlösung zu verständigen. Dieses Verständnis kann eben nur ausgehandelt und keinesfalls ausgerechnet werden.

 

Dieser Beitrag ist mit Quellenangaben  >> Hier << abgelegt. 

 

Zusammenfassung

Entscheidungen werden oft von mehreren Personen getroffen. Dabei gibt es schon ab drei Alternativen keinen Formalismus, der individuelle Präferenzen konsistent in eine gemeinsamen Präferenzordnung überführt. Daher können gemeinsame Entscheidungen nur ausgehandelt und keinesfalls ausgerechnet werden! Dies ist der Kern der entscheidungsorientierte BWL. Sie befasst sich mit Prozessen der Wertschöpfung in Organisationen, die auf das Generieren von Nutzen hin gestaltet werden und im Kern aus Kommunikationen in/von Entscheidungen bestehen. Hierbei bleibt zunächst offen, für wen der Nutzen gedacht ist.

Entscheidend besser sein

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Entscheidend besser sein

Entscheidungen prägen den Alltag einer Führungskraft. Das Treffen guter Entscheidungen wird durch einen Raum maßgeblich verbessert, in dem Schlüsselpersonen einer #Organisation gemeinsam #denken und ihr #Handeln polykontextural begründeten. Dieser Raum der Entscheidung hat architektonische und kommunikative Besonderheiten

Erfolgreiche Menschen verbessern ihre (Selbst)Reflexion durch einen Vertrauten (Details: https://bit.ly/3lBKOYK). Für das Erschließen, Interpretieren und Einordnen von versprachlichten betriebswirtschaftlichen Gedanken kann das St.Galler Management-Modell [1] als Reflexionssprache gute Dienste leisten. Für den Einzelnen und für kleine Gruppen aus Schlüsselpersonen einer #Organisation.

Ein partizipatives Planen und abschließendes Entscheiden über die Grenzen von Abteilungen, Fachdisziplinen, Verantwortungsbereichen, Hierarchiestufen oder Interessenslagen hinweg bedarf neben einer Reflexionssprache auch eine architektonische und eine kommunikative Struktur.

Hilfreiche Architektur

Es bedarf eines abgeschirmten Raumes, zu dem nicht jeder Zugang hat. In diesem Raum des Denkens herrscht ein Verbot von Tablets, Smartphones und Laptops. So können sich die Personen nicht dahinter verstecken und das gemeinsame #Denken, Sprechen und Zuhören untergraben. Stattdessen werden große, interaktive Bildschirme an die Wände positioniert, an denen die Beteiligten gemeinsam arbeiten.

Das physische Design dieses Raumes [2] begünstigt in Farbe und Form das freie Denken, das keinesfalls geprägt ist von vergangenheitsorientierten Daten wie z. B. Rentabilitätskennzahlen: Da man immer nur die unbekannte Zukunft und niemals die bekannte Vergangenheit managen kann, ist ein vorausschauendes Denken nötig, das über die nächsten drei Monate hinausgeht. Stattdessen geht es darum, interdisziplinär bzw. abteilungsübergreifend anhand zeitnaher Informationen ein realitätsnahes Modell der aktuellen Lage zu generieren.

Sachliche, zeitliche und sozialen Logik verbinden

Dieser Raum [2] ermöglicht eine Unternehmenssteuerung, die zugleich Prinzipien von unterschiedlichen Logiken beachtet. Gemäß der Sachlogik werden essenzielle Variablen bedacht, die einzeln und in ihrem Zusammenspiel möglichst gezielt zu beeinflussen sind. In Bezug auf die zeitliche Logik kommt es darauf an, jenseits (rechtlich) vorgeschriebener Planungszyklen die Prämissen unseres Denkens laufend zu überprüfen und gegebenenfalls zu ändern. Durch Beachtung der sozialen Logik ist das Interaktionsverhalten und die Eigenschaften menschlicher Wahrnehmung zu berücksichtigen.

Aus der Wahrnehmungspsychologie ist bekannt, dass Menschen ihr Urteil am besten auf der Basis relativer Größen und Formen, Farben und Bewegungen bilden. So wird eine Bilanz nicht als Zahlenkolonnen, sondern als quantifiziertes Flussdiagramm mit dicken oder dünnen Linien dargestellt, dann werden aus Daten aussagekräftige und handlungsrelevante Informationen.

Aus der kontinuierlichen Flut von Daten im Unternehmen sind Informationen über den Zustand des Unternehmens zu erzeugen, damit dieser Raum zu einem Raum tragfähiger Entscheidungen wird. Dazu benötigt es einer systematischen Auseinandersetzung mit möglichen Zukünften (Szenarien) und einer klaren organisatorischen Verankerung von Entscheidungen, bei der unterschiedliche Perspektiven, Wissensbestände und Information in der Entscheidungsfindung integriert werden [2].

Architektonischer Raum der Entscheidung

An den Wänden des Raumes der Entscheidung sind vorteilhafter Weise vier Kontexte verortet [2]. Dabei ist der Einsatz von Informationstechnologie keinesfalls der entscheidende Punkt. In der Hauptsache kommt es darauf an, mehrere Kontexte desDenkens nebeneinander zu benutzen.

Das Denken in Steuerungsgrößen hilft, anhand operativer und strategischer Kennzahlen einen brauchbaren Überblick über die aktuelle Lage des Unterneh­mens zu gewinnen. Erwartetes ist von
Unerwartetem zu unterscheiden und insbesondere unerwartete Erfolge sollten analysiert werden.

Das Denken in einem Organisationsmodell fördert die Vorstellungen über die eigene Organisation(seinheit) in ihrem Umfeld. Ziele mit der dazu nötigen Ressourcenallokation sind ebenso zu verfolgen von getroffenen Entscheidun­gen mit ihren Annahmen und Erwartungshaltungen.

Das Denken in Wirkungsgefügen dient dem plausiblen Modellieren des aktuel­len (veränderlichen) Zusammenspiels der Erfolgsfaktoren. So wird ein tiefergehendes Durchdenken von Wenn-Dann-Prognosen, Road Maps und #Szenarien möglich.

Das Denken in einem thematischen Fokus kanalisiert der Kommunikationen durch das Einblenden relevanter Fotos, Internetseiten und Videos über den Gesprächsgegenstand. Darüber hinaus kann hierbei jederzeit interaktiv an der Erstellung eigenhändiger Skizzen und graphischen Modellen gearbeitet werden.

Hilfreiche Kommunikation

In dem architektonischen Raum der Entscheidung gilt es, aus der ununterbrochenen Flut von hereinkommenden Daten wirksame Informationen über den Zustand der Organisation(seinheit)
zu erarbeiten. Es geht dabei aber nicht allein um das Denken, sondern insbesondere auch um das Versprachlichen von Gedankengängen. Es geht darum, für eigene Annahmen und Urteile zu plädieren und fremde Vorstellungen zu erkunden. Um Unterschied zu traditionellen Gesprächsformen Diskussion und Debatte geht es keinesfalls darum, (s)eine Meinung durchzusetzen und zu dominieren. 

Zur Erarbeitung übergreifender Entscheidungen braucht es vielmehr eine Form der Kommunikation, die das Potential der aktuell im Raum verfügbaren Expertise aller beteiligten Personen zu aktivieren. Dazu gehört unbedingt, aktiv zuzuhören, eigene Meinungen zu hinterfragen und allen Personen sowie allen Redebeiträgen mit wertschätzendem Respekt zu begegnen.

Kommunikativer Raum der Entscheidung

Um das aktuell im Raum verfügbare Potential sich entfalten zu lassen, sitzen die Akteure vorteilhafter Weise im Kreis, damit jede Person von allen gesehen und gut gehört werden kann. Der Gesprächsverlauf [3] wird durch die Verwendung eines Redesymbols deutlich verlangsamt, damit die Teilnehmenden in den Gesprächspausen bzw. Schweigeminuten ungestört ihre eigenen
Gedankengänge entwickeln und verfolgen können.

Um bei der Entscheidungsfindung auch intuitive Impulse zuzulassen, geht es dabei zugleich um das eigene Denken und das eigene Fühlen. Das Kommen, Verweilen und Gehen eigener Gedanken und Gefühle wird beobachtet, wobei das Denken und das dazugehörige Fühlen bewusst auseinandergehalten werden [4].
Durch das
Zuhören ausgelöste und beobachtete Gedanken und Gefühle kann gesprochen oder geschwiegen werden. Ein kommunikatives Erlebnis, in dem dies gelingt, nennt man #Dialog.

Bei einer solchen fachdisziplin- und abteilungsübergreifenden Kommunikation zur Entscheidungsfindung nutzt man also die zumeist übersehene Tatsache, dass Denkergebnisse (z. B. Annahmen, Urteile, Argumente oder Meinungen) letztlich immer nur eine Resonanz vorausgegangener Denkprozesse sein kön­nen. Daher wird versucht, einander an den eigenen an den eigenen (gewohn­ten) Denkprozessen teilnehmen zu lassen, mit denen eigene Erlebnisse beob­achtet und verarbeitet werden.

Denkraum der übergreifenden Entscheidungsfindung

Ein hier skizzierter architektonischer und kommunikativer Raum für das gemeinsame Nachdenken von Schlüsselpersonen eines Unternehmens leistet gute Dienste als Management-Cockpit [5]. Es werden polykontextural begrün­dete Handlungsmöglichkeiten entwickelt, die jede Form von Entscheidungs­vorbereitung oder Entscheidungsfindung tiefgründig unterstützten. In diesem Zusammenhang leistet das St.Galler Management-Modell [1] mit seinen Perspektiven, Kategorien und Begrifflichkeiten gute Dienste als eine erlernbare, gemeinsam nutzbare Reflexionssprache.

Literatur

[1] Rüegg-Stürm, J./Grand, S. (2019): Das St. Galler Management-Modell. Management in einer komplexen Welt, Bern: Haupt.

[2] Pfiffner, M. (2019): Die dritte Dimension des Organisierens. Steuerung und Kommunikation, Wiesbaden: SpringerGabler

[3] Wilms, F. (2013): Dialog als Weg des gemeinsamen Denkens, in: Business + Innovation 03/2013, S. 52 – 59

[4] Wilms, F. (2011): Gedanken zur ros(t)igen Zukunft der Weiterbildung; in: Lernende Organisation, Juli/August 2011, S. 65

[5] Wilms, F. (2010): Dialog im Management-Cockpit; in: Trainer-Kontakt-Brief 10/10, S. 13

Unentscheidbares entscheiden

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Unentscheidbares entscheiden

Entscheidungen sind oft unangenehm, weil keine der gefundenen Lösungsalternativen nachweislich richtig ist. Oft werden Entscheidungen in Gruppen getroffen und niemand darf sich damit blamieren, sich womöglich falsch festgelegt zu haben. Was tun?

Mit dem Tetralemma werden kontrovers diskutierte alternative Meinungen, Haltungen und Entscheidungen sinnvoll abgewogen, um neuartige Ideen für eine gelingende Zukunft zu erkunden.

 

Beispielhafte Fragestellung

Sollen wir zukünftig die berufliche Weiterbildung vollkommen auf Distance Learning umstellen und diesbezügliche Lehr-Lern-Arrangements entwickeln und dazugehörige technische Infrastrukturen aufbauen? Oder sollen wir „nach Corona“ zum dem zurückkehren, was bis zum Lockdown des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens die Normalität der Weiterbildung war?

Auf diese Fragen gibt es keine einfach „richtige“ Antwort. Denn jede Antwort in die eine oder die andere Richtung lässt viele Kollateralschäden erwarten, die dauerhaft tragbar sein dürften. Tragfähige Antworten auf diese Frage entziehen sich der klassischen zweiwertigen Logik des Entweder/Oder und bedürfen der Erkundung eines dritten, vierten oder gar fünften Wertes.

 

Jenseits der traditionellen Logik

Das systemtheoretische Denken hilft bei der Beobachtung einer Problematik und bei der Herleitung möglicher Lösungsalternativen. Dabei werden die Expertise der Problemlöser und das Prozessverständnis des Beratenden zueinander in Beziehung gesetzt, um neuartige Erkenntnisse für das Management von (marktfähigen) Organisationen zu entwickeln.

In systemorientierten Beratungspraxis wird für unentscheidbare Fragen oft das Tetralemma als Reflexionsansatz [6] angewandt. Dabei werden im Kern verschiedene Perspektiven nacheinander reflektiert. Anhand bestimmter Fragen werden zusätzliche Möglichkeiten erkundet, die über die eine Variante und die andere Variante hinaus noch angedacht, akzeptiert und umgesetzt werden könnten.

 

Das Trilemma durchlaufen

Bei der Arbeit mit dem Trilemma werden folgende Arbeitsschritte durchlaufen:

1.  Zunächst wird der eine Lösungsvorschlag gut ausformuliert (die eine Variante). So könnte man die berufliche Weiterbildung auf Distance Learning umstellen, dafür geeignete Formate entwickeln und eine passende technische Infrastruktur aufbauen.

2.  Danach wird der andere Lösungsvorschlag in vergleichbarer Weise ausformuliert (die andere Variante). So könnte man später zur bekannten „normalen“ Weiterbildung zurückkehren.

3.  Nun werden Möglichkeiten der gleichzeitigen Verbindung guter Komponenten beider Varianten erkundet (beide Varianten zugleich). So könnte man z. B. standardisierte Grundlagen in modularen podcasts anbieten und spezielle Vertiefungen in Präsenztreffen einüben.

4.  Anschließend wird der implizit vorausgesetzte Kontext bedacht, der das Denken über das Problem und seiner Lösung beeinflusst (keine von beiden). Hierbeiden entstehen oft neuartige Sichtweisen und Überlegungen.

So könnte man erkennen, dass für die berufliche Weiterbildung von Führungskräften die Vermittlung von Inhalten weniger bedeutsam ist, als eine vertrauensvolle, partnerschaftliche Reflexion der erlebten Praxis aus der Sicht gleichwertiger und unterschiedlicher Bildungs- und Erfahrungshintergründen ([2] S. 254f.)

In vielen Fällen reichen diese Schritte aus, um die eigenen Gedanken zu ordnen, eigenen Gefühle zu erkennen eigene Positionen zu formulieren. Streng zu beachten ist allerdings, jedweden Kompromiss zu vermeiden. Sollte das dadurch erlangte Ergebnis nicht ausreichen, erfolgt Schritt 5:

5.  Es wird gefragt, mit welchen Gedankengängen die gewohnten Abgrenzungen und Unterscheidungen zwischen gut/schlecht, richtig/falsch, tragbar/untragbar und eben digital/analog veränderbar sind (das alles nicht). Dadurch ergibt sich ein offener Weg des Entwickelns bislang unbedachter Möglichkeiten des Durchdenkens der problematischen Situation. Das ist oftmals Gedanken, die man sich (aus den verschiedensten Gründen) bisher nicht erlaubt hat. Hier ist man ausdrücklich dazu eingeladen, solche Gedanken zuzulassen.

Wenn eine transferstarke berufliche Weiterbildung in erheblichem Maße auf gemeinsame Reflexionen der erlebten Praxis aus unterschiedlichen Sichtweisen aufbaut, dann braucht es methodischer Formate und räumliche Architekturen, die genau dafür zu entwickeln sind.

 

Das zusätzliche „X“

Oftmals ergeben die in den Schritten 3 und 4 skizzierten Positionen in ihrer Abwägung in Schritt 5 Anknüpfungspunkte für einen tragfähigen Weg in die Zukunft. Dies wird durch eine letzte Frage weiter gefördert, die auf Heidegger [2] zurückgeht: Was gilt es noch zu entbergen? (das „X“)

Das X steht für die grundsätzlich vorhandene eigendynamische Emergenz der Wirklichkeit. Daher sind alle verwendeten Unterscheidungen wie Kausalität/Zufall, dazu gehört dazu/gehört nicht dazu oder Trivialität/Nichttrivialität stets zu hinterfragen [1] und sich bewusst zu bleiben, dass jede hergeleitete Lösungsvariante keinesfalls eine ultimative Lösung sein kann [3].

So könnte man z.B. zukünftig bei der Beurteilung einer konkreten Weiterbildungsmaßnahme vollkommen von den erstellten Urkunden und Noten absehen und stattdessen die Resonanz beachten, die eine Teilnahme an der Maßnahme in der beruflichen Praxis hervorruft und dadurch einen erkennbaren Nutzen bewirkt.

 

Die Form der Problemlösung

Als Berater begleite ich solche Denkbewegungen anhand des Trilemmas. Daher benutzte ich die Notation des Formkalküls [5] als Notizen über Formen des Denkens hin zu einer Problemlösung.

Von rechts nach links sind die Komponenten zunehmend bestimmt und von links nach rechts zunehmend unbestimmt. Daher sind die Messgrößen links neben dem Gleichheitszeichen platziert und das Umfeld ganz rechts.

Die beiden recht gut bestimmbaren Lösungs-Varianten sind links neben dem Gleichheitszeichen positioniert. Bezieht man beide aufeinander, kommt etwas in den Sinn, was etwas darüber hinausreicht. Allerdings bleibt immer zu beachten, dass ein zusätzliches, noch nicht entdecktes und daher vollkommen unbestimmtes „X“ auf der rechten Seite auch noch existiert.

 

Gemeinsame Problemlösung

Das gedankliche Durchschreiten des vom Tetralemma aufgezeigten Weges legt die Prämissen, Interessen, Prinzipien und ethische Werte offen, die auf das Durchdenken einer Problematik und ihren Lösungsvarianten einwirken. In der Gruppe der Problemlöser kommt es beim Begehen dieses Weges zu einer kommunikativen Verständigung über die Problematik und über ihre Lösungsmöglichkeiten (Sensemaking [7]). Die bewusste Gestaltung solcher Prozesse ist der Erfolgsfaktor bei der Steuerung von arbeitsteiligen Wertschöpfungsprozessen [4].

 

Zusammenfassung

In Entscheidungsprozessen können mit dem Tetralemma kontrovers diskutierte Alternativen abgewogen und neue Ideen erkundet werden. Dabei werden auch der implizite Kontext des Denkens und die dabei gewohnheitsmäßig benutzen Denk- und Begründungsstrukturen berücksichtigt. Zugleich werden wirksame Prämissen, Interessen, Prinzipien und ethische Werte offengelegt, die auf das Erkunden einer Problematik und ihren Lösungsvarianten einwirken.

 

[1] Gutbrod A. (2010): Kommentar zur Systemischen Beratung anlässlich des Kongresses X-Orga-nisationen; in: OrganisationsEntwicklung 1/2010, S. 97-98

[2]  Heidegger, M. (1943): Vom Wesen der Wahrheit. Frankfurt a. M.: Klostermann

[3] Jumpertz, S./Bußmann, N. (2010): Aufbruch in die neue Gegenwart; in managerSeminare, 02/2010, S. 52 – 55

[4] Rüegg-Stürm, J./Grand, S. (2019): Das St. Galler Management-Modell. Management in einer komplexen Welt, Bern: Haupt

[5]  Spencer-Brown, G. (1969): Laws of Form, London: Allen & Unwin.

[6] Varga von Kibéd, M./Sparrer, I. (2003): Ganz im Gegenteil, Heidelberg: Carl-Auer.

[7] Weick, K. E. (1985): Der Prozess des Organisierens, Frankfurt am Main.

 

Organisation als Entwurf

Der im anglo-amerikanischen Raum verbreitete Ansatz des Organizational Design kommt nun unter dem Begriff Organisationsdesign im deutschen Sprachraum an. Im Kern geht es darum, für eine Organisation(seinheit) das bestmögliche Strukturmodell zu entwerfen, um in einem dynamischen Umfeld langfristig bestehen zu können.

Organisationsdesign sucht Lösungen zu Fragen der Koordination von zugeordneten Mitarbeitern, der Kooperation mit Projektpartnern auf Augenhöhe und der beteiligten Verantwortungsbereiche. Im Fokus stehen dabei Kommunikationsflüsse und Entscheidungsprozesse als wesentlich Säulen für die robuste Weiterentwicklung der Organisation.

Organisationsdesign meint die mehrperspektivische Gestaltung von Organisationen, die als soziale Systeme verstandenen werden. Ein besonderes Augenmerk liegt auf die Wechselwirkung der Gestaltungsbereiche untereinander. Der stets am gegebenen Kontext orientierte Designprozess hat in allen Phasen funktionale Beiträge zur Realisierung formulierter (strategischer) Ziele einer Organisation(seinheit) zu erbringen.

Das St. Galler Management-Modell bietet eine die traditionellen Denkansätze überschreitende Sprach- und Denkweise für die eine bewusste Reflexion von verteilten Wertschöpfungsprozessen. Modelliert wird das Zusammenwirken von Umwelt, Organisation und Management, ohne dass die Führungskräfte ohne eine dominante Rationalität zur Verfügung haben.

Die Anwendung des SGMM fördert das Generieren neuartiger und hilfreicher Sichtweisen auf die Management-Praxis. Dies kann in Arbeitstreffen geschehen oder in der Weiterbildung von (designierten)Führungskräften. Genauso kann auch die konkret erlebte Management-Praxis und ihre akuten Herausforderungen Gegenstand der Reflexion sein. Eine durchgehende Herausforderung ist und bleibt es, für die eigene eine Organisation(seinheit) ein effektives Strukturmodell zu entwerfen, um langfristig bestehen zu können. Genau das ist das Anliegen von Organisationsdesign.