Die ganz große Frage

Wo gibt es das Rezept für (meinen/unseren) Erfolg? Diese Frage begegnet mir als Hochschullehrer, Berater und Coach immer wieder. Ich kenne diesen Ort nicht, ich kenne nur grundlegende Prinzipien, um nachvollziehbar „erfolgreich“ zu sein.

Erfolg ist ein Maßstab des Erreichens von gesetzten Zielen. Um nachvollziehbare Aussagen über den Erfolg oder Misserfolg einer Maßnahme bzw. erzielter Wirkungen tätigen zu können, braucht es Erfolgsindikatoren. Dies gilt schon deshalb, weil es bei der Erfassung einer Problematik auch darum geht, dass die erwünschten Wirkungen

  • unter den gegebenen Bedingungen überhaupt erreichbar sind und
  • in irgendeiner Form messbar bzw. nachweisbar sind.

Beides ist gut abschätzbar, wenn man so präzise wie möglich zweckdienliche Indikatoren formuliert, mit deren Messung die initiierten Veränderungen erfasst werden sollen.

Welche Bedeutung haben Erfolgsindikatoren für Führungskräfte?

Führungskräfte orientieren ihr Tun/Unterlassen an der längerfristig erfolgversprechenden Weiterentwicklung der zu verantwortenden Wertschöpfung. Hierbei sind immer öfter Erfolgsvorstellungen mehrerer Stakeholder zu beachten und zu verwerten [2,3]. Um Maßnahmen mit hoher Akzeptanz zu ergreifen, benötigt man dann einen Bewertungsmaßstab und ein Anspruchsniveau mit quantitativen und/ oder qualitativen Angaben. Eine erkennbar gelebte Erfolgs-Konzeption beruft letztlich auf vier Fragen:

  1. Wie definieren wir/unser Auftraggeber den anzustrebenden Erfolg?
  2. Welche Voraussetzungen sind nötig, damit dieses Verständnis von Erfolg eintreten kann?
  3. Welche Ressourcen werden für diesen Erfolg benötigt?
  4. Welche Restriktionen sind zu beachten?

Zur nachvollziehbaren Beantwortung dieser Fragen und bei der Formulierung von Erfolgsindikatoren ist ein erkennbares Verständnis von Rationalität hilfreich. Rationalität kann man verstehen als bestimmte Art des Sprechens und (kognitiven) Handelns, die in sich einen logischen Sinn ergibt (Handlungslogik). Rationalität kann man ebenso verstehen als ein bestimmtes Vorgehen zur Bildung von Vorstellungen über die Realität mit dem dabei benutzten Relevanzfilters bei der Wahrnehmung der Umwelt (Konstruktionslogik). Eine (kognitive) Handlung oder ihr Resultat wird dabei von denen als „rational“ anerkannt, denen sie als „logisch konsequent“ erklärbar ist (Begründungslogik) [5]. In allen drei Fällen der Rationalisierung kommt dem Prozess der Kommunikation zwischen den Akteuren eine entscheidende Bedeutung zu für die fortwährende (Re)Konstruktion ihrer Vorgehenslogik [6].

Theoretiker und praktische Berater modellieren diesen Gedankengang häufig mit Gefügen aus abgegrenzten Mengen an Kommunikationszusammenhängen, die soziale Systeme genannt werden. Sie bestehen allein aus Kommunikationen, insbesondere von/in Entscheidungen. Personen sind in diesem Modell dann Quellen oder Adressaten von Kommunikationen und Teil der Umwelt einer als soziales System verstandenen Organisation(seinheit).

Organisation(seinheiten) sind Gemeinschaften mit einer ihnen eigenen Handlungs-, Begründungs- und Konstruktionslogik ihrer internen und externen Realitätsvorstellungen. Je vielfältiger eine Gemeinschaft in ein Umfeld eingebettet ist, desto unterschiedlicher sind die Rationalitäten, die an die Organisation herangetragen werden. Die Erwartungen und Erfolgsvorstellungen der verschiedenen Stakeholder sind trotz ihrer häufig auftretenden Widersprüchlichkeit in die organisationsinterne Entscheidungsfindung zu integrieren.

Um in der permanenten Weiterentwicklung der zu verantwortenden Wertschöpfung [1,2] anhand von formulierten Erfolgsindikatoren bewirkte „Erfolge“ nachweisen zu können, ist nach außen verständlich darzulegen, wie die konkurrierende Erwartungen in verbindlichen Prozessen der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden. Kurzum: Es braucht transparente multirationale Entscheidungen, um eine gemeinschaftliche Sinnkonstruktion (Sensemaking [6]) zu generieren und dadurch eine gute Akzeptanz von getroffenen Entscheidungen zu bewirken.

Der Lohn der Mühe ist eine erhöhte Legitimität der Entscheidung bei den heterogenen Stakeholdern und eine frühzeitige Wahrnehmung von Veränderungen des Umfeldes. Diese Frühwarnung liegt auch darin begründet, dass nur die Umweltinformationen zur Kenntnis genommen und organisationsintern grundsätzlich verarbeitet werden können, die passgenau eine der organisationsintern „gültige“ Rationalität andocken können. Werden verschiedene Rationalitäten mit ihren Gemeinsamkeiten und Unterschieden bedacht, werden auch Informationen erfasst, wenn sie nicht mit einer der benutzten Rationalitäten erkannt werden können. So können auch Erfolgsindikatoren formuliert werden, die verschiedene Rationalitäten erfassen.

Wie werde ich “erfolgreich”?

Um „erfolgreich“ zu sein ist es also sehr hilfreich, Erfolgsindikatoren zu formulieren und verschiedene Rationalitäts­ und Erfolgsvorstellungen in ihren Vor- und Nachteilen sowie in ihren Unterscheidungsmerkmalen zu kennen. Auf dieser Basis kann eine Verständigung auf einen gemeinsamen Referenzrahmen mit bestimmten Bezugspunkten erarbeitet werden. Manchmal kann es auch hilfreich sein, sich auf eine temporär einzunehmende Perspektive mit ihrer Rationalität zu einigen und sich entsprechend zu verhalten.

Es ist eine grundlegende Aufgabe des Managements, organisationsintern den bewussten Umgang mit multiplen Rationalitäten zu fördern und immer wieder zweckmäßige Erfolgsindikatoren zu formulieren. Dazu ist eine geübte Reflexionsfähigkeit nötig, um einerseits die eigene vorherrschende Rationalität mit ihren Vor- und Nachteilen zu kennen und andererseits fremde Rationalitäten in ihren Merkmalen zu erkunden. Diese Reflexionen kann man individuell oder kollektiv vollziehen: In einer individuellen Reflexion werden grundlegende eigene Gedanken notiert und spezifiziert. In darauffolgenden konsensorientierten Reflexionsrunden (z. B. mit Repräsentanten der Konzernzentrale, der Key-user oder von sonstigen Stakeholdern) wird dann gemeinsame multirationale Entscheidung abgeleitet und eine verbindliche und verbindende mentale Landkarte generiert.

Diese mentale Landkarte erlaubt den Beteiligten nachvollziehbare Aussagen über den erwartbaren Erfolg einer Maßnahme bzw. der damit erzielten Wirkungen zu treffen. Hierbei sind Erfolgsindikatoren keinesfalls zu ersetzten: Weil Erfolg ein Maßstab ist für das Erreichen von gesetzten Zielen, braucht Erfolg immer dazugehörige messbare Indikatoren.

Weiterführende Literatur:

[1] Rüegg-Stürm, Johannes; Grand, Simon (2015): Das St. Galler Management-Modell, 2. vollst. überarb. Aufl., Bern: Haupt (3. Aufl. 2017), insb. S. 241 ff.

[2] Rüegg-Stürm, Johannes; Grand, Simon (2019): Das St. Galler Management-Modell. Management in einer komplexen Welt, Bern: HauptT/UTB

[3] Rüegg-Stürm, Johannes; Schedler, Kuno; Schumacher Thomas (2015): Multirationales Management Fünf Bearbeitungsformen für sich widersprechende Rationalitäten in Organisationen; in: OrganisationsEntwicklung, Nr. 2 |2015, S. 4 – 11

[4] Schedler, Kuno (2012): Multirationales Management. Ansätze eines relativistischen Umgangs mit Rationalitäten in Organisationen; der moderne staat. Zeitschrift für Public Policy, Recht und Management (dms), 5. Jg., Heft 2/2012, S. 361-376

[5] Schedler, Kuno (2003): „… and politics?” Public Management Developments in the Light of two Rationalities, in: Public Management Review, 5(4), pp. 533-550.

[6] Weick, Karl E. (1995): Sensemaking in organizations, Thousand Oaks: Sage.

Effektivität und Effizienz vereinen?

Gedanken von Effektivität und Effizienz sind erweiterbar um einen Purpose. Beim Entwerfen von Entwicklungsmodi ist dies ebenso hilfreich wie die Anwendung des Formenkalküls.

Weiterentwicklung der Wertschöpfung

In China greift ein bislang unbekanntes Virus um sich und nach wenigen Wochen sind weltweite Lieferketten bedroht. So drohen aktuell Lieferengpässe bei wichtigen Medikamenten, deren Wirkstoffe in Asien hergestellt und derzeit viel zu wenig geliefert werden. Das spüren dann auch Apotheken in Deutschland. Bei derart kurzfristigen Veränderungen des marktlichen Umfeldes ist jede Organisation(seinheit) gut beraten, ihre Wertschöpfung regelmäßig auf eine nötige Anpassung an neue Bedingungen zu prüfen.

Das St.Galler Management-Modell erfasst Reflexionen dieser Art in der Modellkomponente Entwicklungsmodi innerhalb der Aufgabenperspektive, in der es um die betriebswirtschaftliche Aufgabenbewältigung geht. Angestrebt werden soll eine dynamische Weiterentwicklung der derzeitigen Wertschöpfung. Sei es durch Optimierung des Bestehenden oder durch Sicherung eines neu erreichten Standards. Auf welchen Wege kann man in diesem Zusammenhang Effektivität und Effizienz miteinander vereinen?

Vom Purpose zum Ziel

Peter Drucker verstand Effektivität als Zusammenhang von bewirkten Folgen und anfänglicher Zielsetzung; den Zusammenhang zwischen Output und Input hingegen verstand der als Effizienz. Heutzutage hingegen wird die Forderung nach einem Purpose immer stärker diskutiert. Ist das wirklich ein grundlegend neuartiger Gedanke?

Druckers Gedanke war: Ein vorab definiertes Ziel wird zu erreichen versucht, indem Ressourcen bereitgestellt, Aktivitäten durchgeführt und kurzfristige Ergebnisse erreicht werden, die dann mittelfristige Folgewirkungen nach sich ziehen. Mit der heute immer stärker diskutierten Orientierung an einem Purpose, verstanden als einen Wertbeitrag für die Stakeholder, der die Legitimation der Organisation(seinheit) sichert, könnte man den Gedanken von Drucker nahtlos ergänzen mit: Die bewirkten mittelfristigen Folgen haben deutliche Bezüge zum generierten langfristig wirkenden Wertbeitrag für die Gesellschaft (Purpose), an dem sich die anfängliche Zielsetzung bereits orientierte.

Anwendung des Formenkalküls

Mit der Notation des Formkalküls von George Spencer-Brown (1969, 2008, 2009) sind Unterscheidungen beschreibbar, die von Beobachtern getroffen werden um Zustände zu bezeichnen, die von anderen Zuständen unterschieden werden. Damit ist der in einem formulierten Arbeitspaket anzustrebende Zusammenhang von Effizienz, Effektivität und Purpose modellierbar. Es können dabei sogar verschiedene Akzente von unterschiedlichen Beobachtern (z. B. einem Controller und einem Strategen) erfasst werden.

Die obere Modellgleichung liest sich wie folgt: Ein gut ausformuliertes Arbeitspaket ist mehrfach bestimmt: Sie bewirkt praktische Resonanz, indem es Beobachter den verfügbaren Input (Ressourcen), die Aufgabenbewältigung (zu vollziehende Tätigkeit) und den angestrebten Output (kurzfristiges Resultat) voneinander unterscheiden lässt. Diese Unterscheidungen erfolgen im Hinblick auf einen zu erwartenden Outcome (mittelfristige Folgewirkung), der sich bezieht auf den zu leisteten Purpose (langfristiger Wertbeitrag für die Stakeholder). In dieser Modellgleichung ist der verfügbare Input im tiefsten Raum notiert. Der Akzent liegt somit auf der Ressourcenorientierung: Die verfügbare Ressourcenausstattung sichert das Geschäftsmodell.

Es ist allerdings durchaus auch möglich, den Akzent anders zu setzen. Eine Möglichkeit zeigt die untere Modellgleichung. Sie ist so zu lesen: Ein gut formuliertes Arbeitspaket bewirkt praktische Resonanz, indem es Beobachter den grundsätzlich zu leisteten Purpose (langfristiger Wertbeitrag für die Stakeholder), den zu erwartenden Outcome (mittelfristige Folgewirkung) und den angestrebten Output (kurzfristiges Resultat) voneinander unterscheiden lässt. Unterscheidungen erfolgen im Hinblick auf eine zu leistende Aufgabenbewältigung (zu vollziehende Tätigkeit) mit Bezug zu einem aktuell verfügbaren Input (Ressourcen). In dieser Modellgleichung ist der bezweckte Purpose im tiefsten Raum notiert. Der Akzent liegt somit auf der Purposeorientierung: Der generierte Purpose (langfristiger Wertbeitrag für die Stakeholder) sichert das Geschäftsmodell durch die wirksame Akzeptanz seitens der Gesellschaft.

Stakeholder statt Shareholder

Eine regelmäßige Weiterentwicklung der zu verantwortenden Wertschöpfung ist in Zeiten des permanenten Wandels ratsam. Das St.Galler Management-Modell erfasst die Gestaltung der eigenen Entwicklungsmodi im Rahmen der betriebswirtschaftlichen Aufgabenbewältigung. Die traditionelle Ressourcenorientierung ist dabei eher kurzfristig angelegt und gut kompatibel zum Controlling. Und sei nimmt die traditionellen Stakeholder stark in den Blick.

Hingegen ist eine Purposeorientierung langfristig ausgelegt und insofern kompatibel zur Strategie und derartigen Roadmaps. Zusätzlich aber hat die Purposeorientierung auch die Legitimität des Geschäftsmodells in den Augen der Stakeholder im Blick. Wenn also Neuerungen angedacht werden, dann gilt der Grundsatz: Vom Purpose zum Ziel.

Die verantwortungsvolle Unternehmensführung fragt bei der Gestaltung von Entscheidungen, Maßnahmen und Aufgaben, welcher Weg möglichst wirksam ist (Effektivität) und wie ein gewählter Weg aufwandsarm zu begehen ist (Effizienz), um mit begrenzten Mitteln in einem sich verändernden Wettbewerbsumfeld ein Ziel zu erreichen, das eine gesellschaftlich akzeptiertes und insofern legitimes Geschäftsmodell unterstützt (Purpose).

purpose makes sense

Organisationen benötigen einen Purpose als das Handlungsregulativ. Dazu wird ein Orientierungsrahmen benötigt, mit dem im Berufsalltag gemachte Beobachtungen mit einer gemeinsam getragenen Bedeutung versehen werden können. Steht dabei das Generieren eines Wertebeitrages für die Gesellschaft im Fokus, wirkt bereits ein Purpose. Er wird in aufeinander verweisenden Kommunikationen immer wieder ausgehandelt. Dieses kommunikative Aushandeln verbindet individuelles und kollektives Denken, schafft eine gemeinschaftliche Sichtweise und lenkt die Aufmerksamkeit in bestimmte Bahnen. Eine Führungskraft kann die Formulierung eines Purpose mitgestalten, aber nicht vorgeben. Ihre kommunikativen Beiträge haben in dem Maße Gewicht, in dem die Beteiligten sie als vertrauenswürdig einstufen. Je glaubhafter jemand auf die Gemeinschaft achtet, desto vertrauenswürdiger wird er erlebt.

Eigenverantwortung

Das in deutscher [1] und englischer [2] Sprache veröffentlichte Leipziger Führungsmodell (LFM) setzt auf das verantwortlich handelnde Individuum, das sich in seinen Entscheidungen zu bewähren hat. Dazu werden grundlegende Dimensionen einer verlässlichen Orientierung für Entscheidungsträger benötigt, die in sich verändernden Kontexten mit unterschiedlichen Gesprächspartnern zu agieren haben. Genau das möchte das Modell bieten.

Der rote Faden des Modells lautet in etwa: Jeder Entscheider wirkt im Rahmen einer Organisation(seinheit) als übergeordnetes Ganzes. Die Funktionstüchtigkeit dieses Ganzen hat sich unter Wettbewerbsbedingungen zu bewähren. Ihr Erfolg wird maßgeblich daran gemessen, inwiefern sie Wertbeiträge für die Gesellschaft zu generieren vermag.

Handlungsleitende Idee des gesamten Modells ist Purpose. Damit ist das gesamte deutschsprachige Begriffsfeld von Sinn, Zweck, Bedeutung, Zielausrichtung etc. angesprochen. Es geht somit um die Begründung dafür, dass eine Organisation für Dritte überhaupt von Bedeutung ist. Dieser Pur-pose wird verstanden als eine motivierende, gemeinsam getragene Antwort auf die Frage nach dem Zusammenspiel von Arbeitsaufgabe, verfügbare Mittel zur Erreichung kurzfristiger Ziele einer Zielhierarchie, an deren oberen Ende ein Endzweck steht. Dieser Zweck begründet die Legitimation der Organisation(seinheit) gegenüber der Gesellschaft durch den generierten Wertbeitrag für die Stakeholder sowie zur Stabilität und Weiterentwicklung der Gesellschaft.

Das Nachdenken über den letztendlichen Wertbeitrag und seiner Bedeutung bleibt ein kontinuierlicher Prozess. Aus ihm erwachsen mit der Zeit handlungsleitende Prinzipien, die eine Konsistenz des eigenen Tuns und Unterlassens fördern. Daraus entwächst eine innere Haltung, die von den Interaktionspartnern als Berechenbarkeit und Verlässlichkeit erlebt wird.

Organisationsinternes Beziehungsgefüge

Ein derart wirksamer Purpose kann eine Führungskraft kommunizieren und vorleben. Aber vorschreiben kann eine Führungskraft diesen Purpose unter keinen Umständen und keinem Bezugspunkt. Vielmehr entsteht der Purpose in den organisationsinternen Beziehungsgefügen, in denen die Prozessbeteiligten eingebunden sind.

In diesen kommunikativen Netzwerken werden immer wieder neuartige und variierende Formulierungen des Purpose angeboten. Der Einfluss jeder gegenüber dem aktuellen Stand veränderten Formulierung hängt an der Resonanz, die sie im Netzwerker hervorrufen. Diese Resonanz kann bis zu einer vollkommenen Bestätigung bei den Prozessbeteiligten der Wertschöpfung gehen und sogar von der Gesellschaft geteilt werden. Insofern verknüpft der Gedanke des Purpose individuelles und kollektives Denken und Handeln miteinander und ermöglicht eine gemeinsame Ausrichtung.

Purpose kann man also verstehen als gemeinsame Antwort auf die Beitragsfrage, die eine gemeinsam geteilte Interpretationen der generierten Beiträge für gesellschaftliche Gruppen und für die Gemeinschaft ermöglicht. Die Bewertung einzelner Beiträge erfolgt dann in Bezug auf als legitim angesehene Erfolgsindikatoren. Ein so verstandener Purpose verbindet die Projekt- bzw. Prozessbeteiligten mit den Stakeholdern und der Gesellschaft. Der Existenzgrund der Organisation hat dann neben unternehmerischen Argumenten zusätzlich ethische politische Legitimationen des gesellschaftlichen Umfeldes. Das sichert die langfristige Existenz des Unternehmens.

Umwelt, Organisation und Management

Das in deutscher [5] und englischer [6] Sprache veröffentlichte St. Galler Management-Modell (SGMM) geht von einem Zusammenwirken von Umwelt, Organisation und Management aus. Das Modell beschreibt Prozesse der verteilten Wertschöpfung mit Facetten aus der traditionellen Betriebswirtschaftslehre, der insbesondere in englischen Raum verbreiteten Praxistheorie und der Theorie sozialer Systeme. Grundsätzlich wird dabei in einer Aufgabenperspektive die aus Sicht der Betriebswirtschaftslehre fachinhaltlich zweckmäßige Bearbeitung von Aufgaben und Problemen der Wertschöpfung in dem Zusammenspiel von Umwelt, Organisation und Management dargelegt. Anschließen werden in einer Praxisperspektive aus Sicht der Praxistheorie und der Theorie sozialer Systeme wesentliche Voraussetzungen dafür aufgezeigt, dass sich ein wirksames und verantwortungsbewusstes Management zur Aufgaben- und Problembewältigung überhaupt entfalten kann.

Auch das SGMM thematisiert das deutschsprachige Begriffsfeld von Sinn, Zweck, Bedeutung und Zielausrichtung. Auch hier wird davon ausgegangen, dass es ein gemeinsam getragenes Verständnis gibt vom Zusammenhang von Arbeitsaufgabe, verfügbare Mittel zur Erreichung kurzfristiger Ziele und eines langfristigen Zwecks steht. Auch hier begründet das Generieren von Nutzen die Legitimation der Organisation(seinheit) gegenüber der Gesellschaft.

Kommunikative Netzwerke

Verortet wird diese Thematik in einem Orientierungsrahmen innerhalb der Praxisperspektive. Es geht ausdrücklich um das, was der organisationalen Wertschöpfung und ihrer Weiterentwicklung Kohärenz und Ausrichtung verschafft: Eine effiziente Koordination der Alltagsroutine, die Schaffung von Voraussetzungen für den zukünftigen Erfolg und das Wahrnehmen von gesellschaftlicher Verantwortung. Dieser Orientierungsrahmen wirkt als verbindliches und verbindendes Sinn- und Orientierungsgerüst einer Organisation(seinheit). Die Anwendung dieses Gerüsts ermöglicht den Organisationsmitgliedern das Schaffen gemeinsam geteilter Interpretationen des Generierens von Beiträgen für gesellschaftliche Gruppen und für die Gemeinschaft; genau das ist der Purpose. Er wird in den organisationsinternen Kommunikations- und Beziehungsgefügen formuliert, in denen die Organisationsmitglieder eingebunden sind.

Entlang der zu verantwortenden Wertschöpfungsketten und -prozesse bedarf es aufeinander abgestimmter Kommunikationen zum Treffen von Entscheidungen und ihrer organisationalen Verbreitung. Kernoperation einer Organisation ist somit Kommunikation in/von Entscheidungen; hierbei verweisen die einzelnen Kommunikationen/Entscheidungen stets auf bereits früher getätigte Kommunikationen/Entscheidungen, führen sie thematisch weiter und sind selbst immer auch Anknüpfungspunkte für später erfolgende Kommunikationen/Entscheidungen.

In diesen kommunikativen Netzwerken werden immer wieder neuartige und variierende Formulierungen des Purpose angeboten. Es kommt zum Sensemaking, zu kommunikativen Prozessen der alltäglichen Sinnkonstruktion ([7], S. 45ff.). In Kommunikationsprozessen werden Sinnbezüge zwischen Sachzusammenhängen und Erfolgsindikatoren angeboten und teils übernommen, teils verändert und teils verworfen. Die Wirkung einzelner Kommunikationsbeiträge hängt an der Resonanz, die sie im Netzwerker hervorrufen. Dies kann von totaler Ablehnung über Ignoranz bis zu einer vollkommenen Bestätigung bei den Prozessbeteiligten der Wertschöpfung gehen und sogar von der Gesellschaft geteilt werden.

Organisationen sind soziale Systeme

Organisationen bestehen somit im Kern aus einem Netzwerk von einzelnen aufeinander verweisenden Kommunikationen in/von Entscheidungen. Da dies das Kennzeichen von sozialen Systemen ist, sind Organisation(seinheiten) als soziale Systeme zu verstehen. Sie bestehen aus Kommunikationen in /von Entscheidungen, die aufeinander verweisen. Keine dieser Entscheidungen wird in einem leeren, kontextlosen Raum getroffen. Vielmehr wirken Kommunikationswege (Reportingstrukturen oder Linien), Personen (Quellen und Adressaten von Kommunikationen) und Programme (Entscheidungen über Ziele und Vorgehensweisen) als von den Akteuren entscheidbare Entscheidungsprämissen. [4]

Diese Entscheidungsprämissen beeinflussen sich wechselseitig: Für eine optimierte verteilte Wertschöpfung (Zweckprogramm) bedarf es ausreichend definierte Geschäftsprozesse (Konditionalprogramme). Dafür werden passend ausgebildete, erfahrene Verantwortliche (Personen) rekrutiert. Prozessverantwortliche, Geschäftsbereichsleitungen und Unternehmensleitung benötigen einen geregelten Austausch an Daten und Mitteilungen (Kommunikationswege), um weiterhin Entscheidungen über die Weiterentwicklung der internen, oft verteilten Wertschöpfung herbeiführen zu können.

Making Sense of Purpose

Schon Weick [8] hat in seinen organisationstheoretischen Arbeiten das Konzept des Sensemaking dargelegt. Grundsätzlich handelt es sich hierbei um einen kommunikativen Prozess, bei dem die Prozessbeteiligten sich über aktuell beobachtete Ereignisse austauschen, Bezüge zu früheren Erfahrungen besprechen, dazu passende Erklärungen formulieren, so eine gemeinschaftliche Sichtweise bewirken und ihre Aufmerksamkeit in bestimmte Bahnen lenken. Das als „plausibel“ eingestufte kommunikativ ausgehandelte Verknüpfen der aktuellen Beobachtungen mit den früheren Erfahrungen erzeugt eine gemeinsam geteilte Bedeutung, die auch als genügende Erklärung dient und oft auch als Begründung für das weitere Tun oder Unterlassen herangezogen wird.

Organisationen bestehen somit im Kern aus einem Netzwerk von einzelnen aufeinander verweisenden Kommunikationen, in denen immer wieder ausgehandelt wird, was sinnvoller Weise nun zu tun ist um warum es zweckdienlich ist. Dieses kommunikative Aushandeln verbindet individuelles und kollektives Denken und Handeln so miteinander, dass eine gemeinsame Ausrichtung des Denkens, Urteilens und Handelns möglich wird. Dies gilt auch hinsichtlich der Bewertung der generierten Beiträge im Rahmen der Wertschöpfung mit Bezug auf als legitim angesehene Erfolgsindikatoren. Der Existenzgrund einer Organisation(seinheit) wird dann sowohl durch ökonomische Argumente als auch durch ethische und politische Legitimationen des gesellschaftlichen Umfeldes gestützt.

Einschätzen von Vertrauenswürdigkeit

Führungskräfte können die organisationsinternen Netzwerke und die darin behandelten Themen und Formulierungen mitgestalten, aber nicht vorgeben oder gar vollkommen steuern. Eine Führungskraft ist weder vollkommen machtlos noch allmächtig. Ihre kommunikativen Beiträge haben in dem Maße Gewicht, in dem die Beteiligten ihr eine erlebte Vertrauenswürdigkeit zuordnen.

Gemäß der Formel für Vertrauenswürdigkeit [3] geht es um das Maß der zugeordneten Glaubwürdigkeit (spricht aus, was als wahr überprüfbar ist), Zuverlässigkeit (hält sich an Absprachen), Zugewandtheit (zeigt Interesse und Wertschätzung) und Selbstorientierung (verfolgt eigene Ziele). Eine Führungskraft, die von den Kommunikationspartnern aufgrund eigener Erfahrungen als glaubwürdig, zuverlässig, zugewandt und wenig selbstorientiert eingestuft wird, bewirkt mit ihren Kommunikationen weitaus wirksamere Resonanzen als Führungskräfte, die als wenig glaubwürdig, kaum zuverlässig, wenig zugewandt und sehr selbstorientiert erlebt werden.

So schlagwortartig diese Formel auch sei, sie liefert doch erste Anhaltspunkte. So kann man durchaus einmal konkrete, als angemessen erlebte Zahlen einsetzen. Eine geläufige Skale dafür wäre von 1 bis 10, wobei eine 10 mit „viel davon“ zu übersetzen ist. Ein ganz praktischer Versuch kann erste Klarheiten geben: Wie vertrauenswürdig ist mein Chef? Wie vertrauenswürdig mag ich ihm erscheinen?

Die genaue Formel der Vertrauenswürdigkeit lautet: (Glaubwürdigkeit + Zuverlässigkeit + Zugewandtheit) : Selbstorientierung. Nehmen wir beispielhaft (8 + 7 + 6) : 2 = 7. So weit so gut. Wenn nun der Nenner nur um einen Punkt höher angenommen wird, ergibt sich (8 + 7 + 6) : 4 = 5, 25. Das Maß der zugeordneten (nicht: tatsächlichen!) Selbstorientierung gibt also den Ausschlag in der Formel der Vertrauenswürdigkeit. Mit andern Worten: Je glaubhafter jemand auf die Gemeinschaft achtet, desto vertrauenswürdiger wird er erlebt. Erneut ergibt sich: Purpose makes Sense!

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[1] HHL Leipzig Graduate School of Management (Hrsg.) (2017): Das Leipziger Führungsmodell/The Leipzig Leadership Model, 2. überarb. u. erw. Aufl., Leipzig: HHL Academic Press

[2] Kirchgeorg, Manfred; Meynhardt, Timo; Pinkwart Andreas; Suchanek Andreas; Zülch Henning (2019): Das Leipziger Führungsmodell: Führen und beitragen, 3. verb. Aufl., Leipzig: HHL Academic Press

[3] Maister, David H.; Green, Charles H.; Galford, Robert M. (2001): The Trusted Advisor, Simon and Schuster: New York

[4] Luhmann, Niklas (2000): Organisation und Entscheidung, VS Verlag: Wiesbaden.

[5] Rüegg-Stürm, Johannes/Grand, Simon (2019): Das St. Galler Management-Modell. Management in einer komplexen Welt. Haupt: Bern

[6] Rüegg-Stürm, Johannes; Grand, Simon (2019): Managing in a Complex World. The St. Gallen Management Model. Haupt: Bern.

[7] Rüegg-Stürm, Johannes; Grand, Simon (2015): Das St. Galler Management-Modell, 2. völlst. überarb. u. grundl. weiterentw. Aufl., Haupt: Bern.

[8] Weick, Karl E. (1995): Sensemaking in organizations. Thousand Oaks, CA: Sage.

Das Leipziger Führungsmodell

Purpose meint Wertbeitrag

Projekte sind erfolgreich, wenn die Beteiligten ein zueinander kompatibles Verständnis der aktuellen Sachlage benutzen. In der Praxis ist dies kaum der Fall. Daher ist es weit verbreitet, dass der Einzelne auf seine ihm – und nur ihm(!) – eigene Sicht und seine eigene, darauf aufbauende Handlungsstrategie zurückgeworfen ist und bleibt. Übergreifende Denken und Handeln wird verhindert.

Gestern fand die Hauptversammlung der Siemens Aktiengesellschaft statt. Draußen gab’s Proteste und drinnen zeigte sich: Ökologische und soziale Themen sowie Fragen der guten Unternehmensführung spielten auch für große Investoren eine immer größere Rolle. Die Legitimation des Geschäftsmodells wird wichtiger.

Das Leipziger Führungsmodell stellt denn auch den Purpose ins Zentrum der Orientierung von Entscheidungsträgern. Es gibt Impulse für konkrete Fragen und ermöglicht es, anhand des Modells eigenes oder fremdes reales Führungsverhalten in konkreten Situationen zu reflektieren.

Zu reflektieren ist der Zusammenhang von Aufgabe und die Mittel zur Erreichung von Zielen einer Zielhierarchie. Ihr Endzweck wird zu einem Purpose, wenn er die Legitimation des Unternehmens durch den generierten Wertbeitrag für die Gesellschaft begründet.

Der Gedanke des Purpose verbindet individuelles und kollasktive Denken, Tun und Unterlassen miteinder: Individuelle Ansichten über Wert und Bedeutung des Beitrages der Organisation für die Gesellschaft werden verknüpft mit den in den Purpose-Interpretationen in den organisationsinternen Kommunikationsnetzwerken; darin werden durchaus auch Beobachtungen über die Akzeptanz des generierten Wertbeitrages aus der Gesellschaft verarbeitet. Insofern umgreift der Gedanke des Purpose die individuelle, die organisatorische und die gesellschaftliche Ebene.

Wo dies gelingt, dort wird eine verbindende und für alle Beteiligten verbindliche gemeinsame Interpretation und Beurteilung von Ereignissen möglich. Damit wird organisationsintern eine tragende Basis für den Umgang mit sich eröffnenden Chancen, Risiken sowie für das Wirken von Konflikten geschaffen. Zugleich wird die erwartbare Akzeptanzder Stakeholder realitätsnah abschätzbar.

Im Idealfall benutzen dann die Betroffenen und die Beteiligten ein zueinander kompatibles Verständnis in der Bewertung des Wertbeitrages des Projektes für den Einzelnen, für die Gemeinschaft und für die Gesellschaft. Je besser dies erreicht wird, desto erfolgreicher werden die Projekte werden.

Organisation als Entwurf

Der im anglo-amerikanischen Raum verbreitete Ansatz des Organizational Design kommt nun unter dem Begriff Organisationsdesign im deutschen Sprachraum an. Im Kern geht es darum, für eine Organisation(seinheit) das bestmögliche Strukturmodell zu entwerfen, um in einem dynamischen Umfeld langfristig bestehen zu können.

Organisationsdesign sucht Lösungen zu Fragen der Koordination von zugeordneten Mitarbeitern, der Kooperation mit Projektpartnern auf Augenhöhe und der beteiligten Verantwortungsbereiche. Im Fokus stehen dabei Kommunikationsflüsse und Entscheidungsprozesse als wesentlich Säulen für die robuste Weiterentwicklung der Organisation.

Organisationsdesign meint die mehrperspektivische Gestaltung von Organisationen, die als soziale Systeme verstandenen werden. Ein besonderes Augenmerk liegt auf die Wechselwirkung der Gestaltungsbereiche untereinander. Der stets am gegebenen Kontext orientierte Designprozess hat in allen Phasen funktionale Beiträge zur Realisierung formulierter (strategischer) Ziele einer Organisation(seinheit) zu erbringen.

Das St. Galler Management-Modell bietet eine die traditionellen Denkansätze überschreitende Sprach- und Denkweise für die eine bewusste Reflexion von verteilten Wertschöpfungsprozessen. Modelliert wird das Zusammenwirken von Umwelt, Organisation und Management, ohne dass die Führungskräfte ohne eine dominante Rationalität zur Verfügung haben.

Die Anwendung des SGMM fördert das Generieren neuartiger und hilfreicher Sichtweisen auf die Management-Praxis. Dies kann in Arbeitstreffen geschehen oder in der Weiterbildung von (designierten)Führungskräften. Genauso kann auch die konkret erlebte Management-Praxis und ihre akuten Herausforderungen Gegenstand der Reflexion sein. Eine durchgehende Herausforderung ist und bleibt es, für die eigene eine Organisation(seinheit) ein effektives Strukturmodell zu entwerfen, um langfristig bestehen zu können. Genau das ist das Anliegen von Organisationsdesign.

Die direkte Begegnung

In einer zwischenmenschlichen Begegnung ereignet sich unendlich viel zulgeich. Jede beteiligte Person hat das “ich” vom “du ” zu unterscheiden. Und jede Person hat zu bedenken, dass das sich Zusammenspiel von “ich” und “du” in einem mitgedachten “Kontext” entfaltet.

Im Sinne der Gesetzte der Form von Spencer-Brown kann daher eine zwischenmenschliche Begegnung modelliert werden als eine Unterscheidung zwischen “ich” (meine Perspektive als marked space) und “du” (die Perspektive meines Gegenübers als unmarked space), einem re-entry dieser getätigten Unterscheidung sowie einem zumindest implizit mitgedachten Kontext (einem Raum der Bedingungen der Möglichkeiten, der an sich immer auch anders ausgefüllt sein könnte und daher lediglich als empty space – als befüllbarer Behälter – verstanden werden kann.

Als Kontext kann man hilfreicher Weise den Geltungsbereich von “Spielregeln” verstehen; sowohl die einzelnen Regeln als auch der Geltungsbereich sind dabei weder genau umrissen und daher vielfältig variabel. Daher ist es für das Gelingen einer zwischenmenschlichen Begegnung von enormer Bedeutung, die jeweils gelten sollenden “Spielregeln” zu bestimmen. Die Frage lautet dann: Wozu sollen welche Regeln jetzt, hier für uns gelten?

Sollte in der Begegnung eine Entscheidung getroffen werden, dann gehört zu ihrer adressatenorientierte Mitteilung immer auch die Bekanntgabe des Geltungsbereiches der angewandten und weiterhin anzuwendenden Regeln. Das ermöglicht Berechenbarkeit.

Praxis besteht aus Praktiken

Das aktuelle SGMM bezeichnet ein Zusammenspiel von Aktivitäten mit gleichem Bezugspunkt als Praktik. Hierbei sind Handlungen (z. B. ein Spiegelei braten), der Gebrauch von Artefakten (z. B. Pfanne, Herd) und getätigte Kommunikationen (z. B. „Jetzt ist es gut“) miteinander verbunden. Jede beobachtbare Praktik ist weder notwendig noch unmöglich und könnte auch anders sein.

Praktiker sind also Personen, die in einer konkreten Situation bestimmte (erlernte) Praktiken bedenken und situationsangepasst anwenden. Ihr (intellektuelles) Handeln erfolgt maßgeblich aufgrund von habitualisiertem Wissen. Sie beobachten, fühlen, denken, entscheiden und sprechen oft ohne bewusstes Nachdenken aufgrund verinnerlichter Gewohnheiten, die durch Erziehung, Bildung und Sozialisation geformt werden.

Aus diesen Handlungen ergibt sich die erlebbare Praxis. Insofern kann man ein Unternehmen verstehen als Gefüge von Praktiken ohne fest definierte Grenzen. Das Erhöhen der eigenen Wirksamkeit gelingt daher nur über das Nachdenken über eigene Gewohnheiten im Denken, Fühlen, Beurteilen und Handeln. Passen sie noch zum jetzigen Leben oder sollten sie verändert werden?

Wirksames Management vollzieht sich daher immer in Praktiken, die in ihrem Zusammenspiel als “Management-Praxis” im SGMM verortet sind. Das Kennen, Können und Beherzigen der von “den Managern” einer Unternehmen anerkannten Praktiken ist somit der Garant für ein tragfähiges Handeln in einer Managementfunktion dieser Unternehmen.

Das aktualisierte SGMM

Die 3. Generation des SGMM (2003) war eine verdichtete, integrative Darstellung der zentralen Bezugspunkte der privatwirtschaftlichen Wertschöpfung: Umwelt und Unternehmung

Die völlig überarbeitete 4. Generation des SGMM (bis 2017) war eine integrative Darstellung zentraler Bezugspunkte der verteilten, arbeitsteiligen Wertschöpfung. Mit einer durchgehend kommunikationszentrierten Perspektive wurden Umwelt, Organisation und Management als aufeinander bezogene, analytisch zu unterscheidende Gestaltungssphären modelliert. Hierfür wurde eine Reflexionssprache geboten, mit der grundlegende Probleme des Managements komplexitätsgerecht diskutierbar geworden sind.

Mit der didaktisch aufgearbeiteten Version (2019) wird die organisationale Wertschöpfung in einer zunehmend komplexeren Welt modelliert. Zunächst wird in ein einer Aufgabenperspektive die Gestaltung des Zusammenspiels von Umwelt, Organisation und Management mit vielen Anknüpfungspunkten zur traditionellen BWL diskutiert. Dann werden in einer Praxisperspektive grundlegende kulturelle und kommunikative Voraussetzungen dargelegt, die ein wirksames Managements erst ermöglichen.

St.Galler Management-Modell bietet im Grundlagenwerk (2017) eine ausgefeilte kommunikative Modellierung des Zusammenspiels von Umwelt, Organisation und Management mit einem wiss. Ansatz. Ergänzend dazu bietet der didaktisch aktualisierunge Ansatz (2019) eine anwendungsorientierte Reflexionshilfe auf dem neuesten Stand von Forschung und Praxis des Managements. Damit wird es möglich, das konkrete Erleben in einer Unternehmung anhand von bedeutsamen kategorialen Merkmalen zu beschreiben, zu analisieren und zu überdenken.

Die Seifenblase

Eine frei im Raum schwebende Seifenblase ist ein perfektes Beispiel für die Gültigkeit der Kalküls von George Spencer-Brown.

Die Seifen(laugen)blase lässt ein Inneres von einem Äußeren unterscheidbar werden. Die Lauge trennt das Innere von dem Äußeren und verbindet sie zugleich miteinander.

Diese Unterscheidung (distinction) wird mit dem Wort „Seifenblase“ markiert (marked space). Kontext, Umgebung bzw. Bedingung der Möglichkeit, das überhaupt etwas da ist, werden zugleich nicht benannt und sind daher unmarkiert (unmarked space).

Sollte die Unterscheidung nicht mehr möglich sein (weil die Blase geplatzt ist), dann wird nichts mehr benannt und es bleibt ein leerer Raum (empty space) übrig.

Man kann also feststellen: Worte benennen keine Objekte oder Sachzusammenhänge; Worte benennen die Operation des Unterscheidens zwischen dem, was sie benennen und dem, was sie nicht zugleich mitbenennen (obwohl es dennoch “da” ist).