Wie wird eine praxisorientierte BWL möglich?

Die Betriebswirtschaftslehre ist eine praxisorientierte Wissenschaft, der es um das nachvollziehbare Ableiten theoretischer Erkenntnisse und das Herleiten praxistauglicher Gestaltungsvorschläge für die betriebliche Praxis geht. Zu erarbeiten sind möglichst allgemein anwendbare Methoden, Instrumente oder Konzepte und nicht nur Lösungsvorschläge für eine einzelne Problematik. [8, S. 141] Theorie ist dabei keinesfalls das Gegenteil von Praxis, vielmehr sind Theorie und Praxis zwei sich gegenseitig bedingende Polare einer tragfähigen Berufsqualifizierung („Employability“). Gefordert wird eine theorieorientierte Distanz zur konkreten Alltagspraxis, in der auch die oft begrenzten Möglichkeiten von „Steuerung“ bzw. „Kontrolle“ thematisiert werden. [1, S. 109ff]

Entscheidungsorientierte Betriebswirtschaftslehre

Entscheidungsorientierte Varianten der Betriebswirtschaftslehre sehen in Prozessen bzw. Techniken der Entscheidung über den möglichst optimierten Ressourceneinsatz als Kern der erfolgreichen betrieblichen Praxis. Bei Entscheidungen wird von einem Zielbündel ausgegangen, das neben den Zielen der Eigentümer auch Ziele von Anspruchsgruppen umfasst. In diesem Zusammenhang ist eine Problemsituation, über die zu entscheiden ist, von Beobachtern zu identifizieren und kommunikativ als bearbeitungswürdige Entscheidungsnotwendigkeit zu markieren. [7, S. 168]

Für eine praxisorientierte akademische Ausbildung ist es von elementarer Bedeutung, dass sie primär Problemlösungskompetenz und nicht Faktenwissen vermittelt. [9, S. 140] Eine praxisorientierte akademische Lehre des guten Entscheidens berücksichtigt in starkem Maße das effektive Handhaben schlecht definierter, offener Probleme. [6] Die Anforderungen zur Problemlösung sind dabei zunächst nicht absehbar und erst durch die Ereignisfolgen des an Theorien, Prinzipien und Ideen orientierten Denkens zu erkennen. Da es keine vorab definierte Handlungsregel gibt, hilft reproduktives Denken nicht weiter. Benötigt werden von bekannten Methoden in begründeter Weise abweichende und theorieorientiert begründbare Ideen bzw. Prinzipien. [11, S. 15 ff.] Theorien sind quasi Prüfinstanzen für aufkommende Ideen und erzeugen Wissen. [10 S. 54]

Informationsbasis von Entscheidungen

Werden Entscheidungssituationen gemäß ihrer Informationsbasis eingeteilt, können Entscheidungen unter Sicherheit, Unsicherheit, Risiko, Ungewissheit und Unwissen unterschieden werden. Bei Entscheidungen unter Sicherheit sind die Zielvorstellungen, die ergreifbaren Alternativen, die sicher eintretenden Handlungsfolgen bei Ergreifen der einzelnen Alternativen sowie die zukünftig eintretende Umweltsituation gut bekannt. Diese Sicherheiten sind allerdings in der Praxis kaum zu finden. Praxisnäher sind Entscheidungen unter Risiko. Hier sind zukünftige Umweltsituationen zwar bekannt, aber der Eintritt einer bestimmten Umweltsituation kann nur mit einer gewissen Eintrittswahrscheinlichkeit (μ) aufgrund statistischer Untersuchungen mit repräsentativen Stichproben vorausgesagt werden. Sollten sich überhaupt keine Angaben über die Eintrittswahrscheinlichkeit (μ) der potenziellen Umweltsituationen angeben lassen und daher deren mögliches Eintreten als gleich wahrscheinlich erscheinen, handelt es sich um eine Entscheidung unter Ungewissheit. [3. S. 197 ff]

Je mehr Komponenten der Entscheidungssituation aktuell unbekannt sind, desto eher ist eine Entscheidung von Unwissen gegeben. Unwissen ist kein Nichtwissen, sondern ein partielles Wissen: Handlungsfolgen von betriebswirtschaftlichen Entscheidungen ziehen oft positive und negative Wirkungen nach sich, sodass nach einem vertretbaren Ausgleich zwischen beiden Effekten zu suchen ist. [9, S. 88] Bei dieser Suche ist es hilfreich, Entscheidungen mit den maximal möglichen Informationen erst zu treffen, wenn bei weiterem Nichtentscheid im Vergleich zum Entscheid die Alternativen sinken oder die Kosten steigen. [5, S. 47 – 52]

Aber es bleibt auch dann dabei, dass Entscheidungen aufgrund von Möglichkeiten zu treffen sind, die zwar gemäß Plausibilitätserwägungen verwirklicht werden könnten, aber nicht so eintreffen werden. [2, S. 5f.] Daher bezieht sich die mit dem Entscheiden verbundene Verantwortung primär auf die Gestaltung des Entscheidungsprozesses und dabei insbesondere auf die tatsächlich verfügbaren Alternativen. [8, S. 258]

Zusammenfassung
Die Betriebswirtschaftslehre ist eine praxisorientierte Wissenschaft, die möglichst allgemein anwendbare Methoden, Instrumente oder Konzepte zur Entscheidung über betriebswirtschaftliche Problemstellungen erarbeitet. Die mit einer Entscheidung übernommene Verantwortung bezieht sich auf die Gestaltung des Entscheidungsfindung und dabei insbesondere auf die tatsächlich verfügbaren Alternativen. Die (gemeinsame) Modellierung einer Entscheidungssituation schlägt auf die Möglichkeiten der Interpretation der Entscheidungsgrundlagen durch. Immer wieder zeigen sich Theorie und Praxis als zwei sich gegenseitig bedingende Polare einer tragfähigen Berufsqualifizierung („Employability“), die durch eine praxisorientierte Betriebswirtschaftslehre angestrebt wird.


Eine detailreichere Fassung dieses Beitrag ist zu finden unter: https://bit.ly/2W637Ks

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[1] Vgl.: Becker, T./Kaiser-Jovy, S. (2016): Zur Fragwürdigkeit von Praxisorientierung im Rahmen der Hochschulbildung; in: die hochschule. journal für wissenschaft und bildung 2/2016, S. 104 – 113.

[2] Vgl.: Hicks, J. (1969): A Theory of Economic History, Oxford: Clarendon Press

[3] Vgl.: Knight, F. H. (1964): Risk, Uncertainty, and Profit, New York: Sentry Press, S. 197 ff. (1. Aufl., Boston/New York: Houghton Mifflin Co., The Riverside Press, 1921).

[4] Vgl.: Mintzberg, H. & Gosling, J. (2002): Educating Managers beyond Borders; in: Academy of Management Learning and Education, Vol. 1, No. 1 (Sept. 2002), 64–76.

[5] Vgl.: Poppendieck, M./Poppendieck, T. (2003): Lean Software Development: An Agile Toolkit, Boston et al: Addison- Wesley, S. 47 – 52

[6] Vgl.: Reitmann, W. R. (1964): Heuristic Decision Procedures, Open Constraints and the Structure of Ill-Defined Problems, in: Shelly, M. W./Bryan, G. L. (Eds): Human Judgements and Optimality, New York et al.: Wiley, S. 282 – 315.

[7] Vgl.: Rüegg-Stürm, J./Grand, S. (2019): Das St. Galler Management-Modell. Management in einer komplexen Welt, Bern: Haupt

[8] Vgl.: Sen, A. (2009): Die Idee der Gerechtigkeit. München: C.H.Beck

[9] Vgl.: Schwenker, B./Albers, S./Ballwieser, W./Raffel, T./Weißenberger, B. (2021): Erfolgsfaktor BWL. Was sie leistet und warum wir sie brauchen, München: Vahlen

[10] Vgl.: Wohland, G./Huther-Fries, J./Wiemeyer, M./Wilmes, J. (2004): Vom Wissen zum Können. Merkmale dynamikrobuster Höchstleistung. Eine empirische Untersuchung auf systemtheoretischer Basis, https://dynamikrobust.com/wp-content/uploads/2018/05/Studie-Merkmale-dynamikrobuster-Hoechstleistung.pdf, download 09.12.2021

[11] Vgl.: Wohland, G./Wiemayer, M. (2012): Denkwerkzeuge der Höchstleister, 3., akual. u. erw. Aufl., Lüneburg: Unibuch

 

Spielregeln und Spielzüge

Von Führungskräften wird heute gefordert, dass ihre Handlungen zugleich wirtschaftlich und ethisch zu rechtfertigen sind. Die ist möglich, wenn zwischen der Wirtschaftsordnung (Spielregeln) und den Handlungen (Spielzügen) unter­schieden wird. Die wirtschaftliche Rechtfertigung kann man dann auf die Spiel­züge beziehen und die ethische Rechtfertigung auf die Spielregeln. Die heute lautstark vorgetragene Forderung nach mehr Ethik ist dann anhand durchsetz­barer Korrekturen der Wirtschaftsordnung möglich.

Anreizethik

Die Gültigkeit einer Wirtschaftsordnung setzt einen allgemeinen Konsens über die Spielregeln und die Durchsetzungsinstanzen (Justiz, Kartellamt) voraus. Dann regelt sie den Wettbewerb und nötigt Anbieter, sich an den Interessen der Nachfrager zu orientieren und dabei auf einen effizienten Ressourceneinsatz zu achten. Das individuelle Handeln der Marktteilnehmer orientiert sich also in­nerhalb der einrahmenden Wirtschaftsordnung an den darin befindlichen Anreizen (z. B. Gewinn und Liquidität), daher spricht man von einer Anreizethik. Mit ihr werden wirtschaftliche und ethische Handlungen zugleich realisierbar.

Folgenreiche Frage

Ethisch unerwünschte Handlungen (Spielzüge) werden dann allein auf Defizite der Wirtschaftsordnung (Spielregeln) zurückgeführt. Und Verbesserungen sind allein durch begründete, vereinbarte Korrekturen der Wirtschaftsordnung möglich. Die Geltung der vereinbarten Spielregeln verlangt von den Beteiligten einen allgemeinen Konsens, der sich auch auf die Durchsetzungsinstanzen (Schiedsrichter, z. B. die Justiz oder das Kartellamt) erstreckt, die regelkonform alle Handlungen sanktionieren, die die Spielregeln in irgendeiner Form missachten. Die folgenreiche Frage lautet also: Auf welcher Basis ruht der nötige Konsens über die Geltung von Spielregeln, Spielzügen und regelkonform sanktionierenden Schiedsrichtern?

Der freiheitliche Staat kann diese Basis nicht sein. Er lebt davon, dass sich die gewährten Freiheiten aus der moralischen Substanz des einzelnen Akteurs und aus der Homogenität der Gesellschaft selber reguliert. Ein Staat, der dies versucht, würde er in einen Totalitätsanspruch verfallen und könnte nicht weiter die Ordnung der Freiheit sein. [1] Man schaue einfach einmal nach China. 

Hilfreiche Antwort

Die entscheidungsorientierte BWL zeigt Möglichkeiten der Ableitung eines von den Prozessbeteiligten getragenen Konsenses. Statt nur im Interesse der Anteilseigner eine Steigerung des Marktwertes des Eigenkapitals zu erreichen (Shareholder Value) werden Methoden für mehrkriteriellen Mehrpersonen-Entscheidungen entwickelt, die auch heterogene Interessen von internen und externen Anspruchsgruppen berücksichtigen (Stakeholder Value).

Damit können sowohl die Interessen (bzw. Ziele) von Eigen- und Fremd­kapitalgebern, die zumeist auf eine kurzfristige Rentabilität zur Abdeckung des unternehmerischen Risikos konzentriert sind, als auch die Interessen der Anspruchsgruppen, die eher auf eine Beschränkung des wirtschaftenden Akteurs oder auf eine langfristige Teilhabe an den Verfügungsrechten des erwirtschaf­teten Erfolgs bezogen sind, in die Konsensfindung integriert werden. Es handelt sich dabei um ein Problem der gut dokumentierten Mehrziel-Entscheidung [2].

Mit Kenntnissen aus der entscheidungsorientierten BWL und ihren Methoden können Führungskräfte in der Wirtschaft ihre Handlungen mit der Erwartung der langfristig optimierten Rendite begründen, denn getroffene Entscheidungen werden für Stakeholder (insb. Kunden und Lieferanten) nachvollziehbar und damit tragfähig. Spielregeln und Spielzüge werden so wirtschaftlich und ethisch gerechtfertigt.

 

Zusammenfassung
Die Geltung vereinbarter Spielregeln verlangt einen allgemeinen Konsens, der sich auch auf regelkonforme Durchsetzungsinstanzen erstreckt. Die entscheidungsorientierte BWL bietet Möglichkeiten der Herleitung eines von den Prozessbeteiligten getragenen Konsenses. Dabei werden die heterogenen Ziele von Kapitalgeber und Anspruchsgruppen integriert. So werden tragfähige Lösungen möglich.

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[1] Böckenförde, E.-W. (1967): Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation. Das Skript zu einem Ferienseminar wurde 1967 in der Festschrift für Forsthoff zu dessen 65. Geburtstag, „Säkularisation und Utopie“, veröffentlicht (S. 75-94). Dieser Text wiederum findet sich in: Beckenförde, E-W. (1991): Recht, Staat, Freiheit, Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 92-113, hier S. 112f.

[2] Rommelfanger, H. J./Eickemeier, S. H. (2002): Entscheidungstheorie. Klassische Konzepte und Fuzzy-Erweiterungen, Berlin/Heidelberg: Springe, S. 133 ff.

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Anwendungsorientierung

Entscheidungen über die optimierte organisatorische Wertschöpfung werden oft von mehreren Personen getroffen. Dabei gilt es, sich auf eine gemeinsame Sicht der Ausgangslage, der Randbedingungen und der Minimalbedingungen einer als „gut“ verstandenen Problemlösung zu verständigen. Durch das seit langem bekannten Arrows Unmöglichkeitstheorem weiß man, dass es schon ab drei Alternativen keinen Formalismus gibt, der individuelle Präferenzen konsistent in eine gemeinsamen Präferenzordnung überführt.

 

Unmöglichkeit mit Folgen

Das Errechnen eines optimierten Ergebnisses kann nur der (mathematische) Formalismus vollziehen, der von den Entscheidern erwählt wurde. Da es dafür mehr als zwei gibt, gilt das Unmöglichkeitstheorem auch hinsichtlich der Wahl von einem Formalismus, mit dem ein Ergebnis errechnet werden soll. Daher haben die Entscheider die zu benutzenden Kriterien für einen guten Entscheidungsprozess und für ein als „richtig“ beurteiltes Resultat selber zu definieren, wobei das Urteil über die Richtigkeit der Entscheidung nicht notwendigerweise ein richtiges bzw. wahres Urteil ist. Auf jeden Fall ergibt sich klar und deutlich: Gemeinsame Entscheidungen können nur ausgehandelt und keinesfalls ausgerechnet werden! Kommunikativ auszuhandeln ist in gemeinsamen Entscheidungsprozessen letztlich das Zustandekommen eigener und fremder Beobachtungen, mit denen Ergebnisse erzielt (z. B. Reportings verfasst), Erkenntnisse gewonnen und individuelle Präferenzen getroffen werden.

 

Beobachtung

Möchte die entscheidungsorientierte BWL anwendungsorientiert sein, dann hat sie einen Fokus auf das Gewebe von aufeinander verweisenden (entscheidungsfördernden) Kommunikationen zu legen und auf der Erkenntnisfigur des Beobachters aufzubauen. Zur Dokumentation von Operationen der Beobachtung, mit der etwas von anderem unterschieden wird und dieser Unterschied reproduzierbar wird, verwende ich die Notation des Formkalküls von George Spencer-Brown. Mit ihm kann man die (kognitiven) Unterscheidungen anschreiben, die ein Beobachter vollzogen hat um etwas zu bezeichnen, das er von anderem unterscheidet.

 

Entscheidungsorientierte BWL

Auch der Sachzusammenhang der entscheidungsorientierten BWL kann mit dem Formkalkül beschrieben werden, indem von Beobachtern getroffene Unterscheidungen in eine mathematische Formulierung einer Operation (hier: entscheidungsorientierte BWL) überführt werden, die ein Phänomen (hier: nutzenstiftende Wertschöpfung) reproduziert. Dabei wird jeder verwendete Begriff in einen überprüfbaren Zusammenhang weiterer Begriffe gestellt und die Struktur eines Sachverhalts nahezu simultan dargestellt, ohne an eine Sequenz innerhalb einer Textpassage aus einer Fachpublikation gebunden zu sein.

Abb. 1: Entscheidungsorientierte BWL mit dem Frmenkalkül

 

Beobachtungen und ihre Ergebnisse

Die Notationen des Formkalküls sind von rechts nach links zu lesen. Anhand der gezeigten vier Gleichungen können Beobachtungen der entscheidungsorientierten BWL beschrieben werden. Grundsätzlich geht es um Erkenntnisse über die Gestaltung von Wertschöpfungsprozessen, die für (potentielle) Kunden einen Nutzen stiften. Dies wird in Ausdruck 1 notiert, wobei ganz recht durch das Fragezeichen offenbleibt, für wen genau der Nutzen erbracht wird. Die können z. B. Abnehmen oder Zulieferer sein, der Staat oder Kooperationspartner einer Wertschöpfungskette.

Auf jeden Fall passiert die zu verantwortende Wertschöpfung in Organisationen, dies ist in Ausdruck 2 notiert. Was Organisationen zusammenhält sind Kommunikationen, insbesondere in/von Entscheidungen. Dies besagt Notation 3. Zusammen genommen ergibt sich Notation 4, die folgendermaßen zu lesen: Die anwendungsorientierte BWL befasst sich mit Prozessen der Wertschöpfung in Organisationen, die auf das Generieren von Nutzen hin gestaltet werden und im Kern aus Kommunikationen in/von Entscheidungen bestehen. Hierbei bleibt zunächst offen, für wen der Nutzen gedacht ist.

 

Ausgehandeltes Verständnis

Die Aussprache über das jeweilige Zustandekommen eigener und fremder Beobachtungen der entscheidungsorientierten BWL ermöglicht einen tiefgründigen Austausch von Erkenntnissen, Standpunkten und Meinungen zwischen den unterschiedlichsten Vertretern dieser Fachrichtung. Dies ist nötig, denn nicht nur in der Praxis, sondern auch in der Theorie werden Entscheidungen über die optimierte organisatorische Wertschöpfung zumeist von mehreren Personen getroffen. Dabei gilt es, sich auf eine gemeinsame Sicht der Ausgangslage, der Randbedingungen und der Minimalbedingungen einer als „gut“ verstandenen Problemlösung zu verständigen. Dieses Verständnis kann eben nur ausgehandelt und keinesfalls ausgerechnet werden.

 

Dieser Beitrag ist mit Quellenangaben  >> Hier << abgelegt. 

 

Zusammenfassung

Entscheidungen werden oft von mehreren Personen getroffen. Dabei gibt es schon ab drei Alternativen keinen Formalismus, der individuelle Präferenzen konsistent in eine gemeinsamen Präferenzordnung überführt. Daher können gemeinsame Entscheidungen nur ausgehandelt und keinesfalls ausgerechnet werden! Dies ist der Kern der entscheidungsorientierte BWL. Sie befasst sich mit Prozessen der Wertschöpfung in Organisationen, die auf das Generieren von Nutzen hin gestaltet werden und im Kern aus Kommunikationen in/von Entscheidungen bestehen. Hierbei bleibt zunächst offen, für wen der Nutzen gedacht ist.

Entscheidend besser sein

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Entscheidend besser sein

Entscheidungen prägen den Alltag einer Führungskraft. Das Treffen guter Entscheidungen wird durch einen Raum maßgeblich verbessert, in dem Schlüsselpersonen einer #Organisation gemeinsam #denken und ihr #Handeln polykontextural begründeten. Dieser Raum der Entscheidung hat architektonische und kommunikative Besonderheiten

Erfolgreiche Menschen verbessern ihre (Selbst)Reflexion durch einen Vertrauten (Details: https://bit.ly/3lBKOYK). Für das Erschließen, Interpretieren und Einordnen von versprachlichten betriebswirtschaftlichen Gedanken kann das St.Galler Management-Modell [1] als Reflexionssprache gute Dienste leisten. Für den Einzelnen und für kleine Gruppen aus Schlüsselpersonen einer #Organisation.

Ein partizipatives Planen und abschließendes Entscheiden über die Grenzen von Abteilungen, Fachdisziplinen, Verantwortungsbereichen, Hierarchiestufen oder Interessenslagen hinweg bedarf neben einer Reflexionssprache auch eine architektonische und eine kommunikative Struktur.

Hilfreiche Architektur

Es bedarf eines abgeschirmten Raumes, zu dem nicht jeder Zugang hat. In diesem Raum des Denkens herrscht ein Verbot von Tablets, Smartphones und Laptops. So können sich die Personen nicht dahinter verstecken und das gemeinsame #Denken, Sprechen und Zuhören untergraben. Stattdessen werden große, interaktive Bildschirme an die Wände positioniert, an denen die Beteiligten gemeinsam arbeiten.

Das physische Design dieses Raumes [2] begünstigt in Farbe und Form das freie Denken, das keinesfalls geprägt ist von vergangenheitsorientierten Daten wie z. B. Rentabilitätskennzahlen: Da man immer nur die unbekannte Zukunft und niemals die bekannte Vergangenheit managen kann, ist ein vorausschauendes Denken nötig, das über die nächsten drei Monate hinausgeht. Stattdessen geht es darum, interdisziplinär bzw. abteilungsübergreifend anhand zeitnaher Informationen ein realitätsnahes Modell der aktuellen Lage zu generieren.

Sachliche, zeitliche und sozialen Logik verbinden

Dieser Raum [2] ermöglicht eine Unternehmenssteuerung, die zugleich Prinzipien von unterschiedlichen Logiken beachtet. Gemäß der Sachlogik werden essenzielle Variablen bedacht, die einzeln und in ihrem Zusammenspiel möglichst gezielt zu beeinflussen sind. In Bezug auf die zeitliche Logik kommt es darauf an, jenseits (rechtlich) vorgeschriebener Planungszyklen die Prämissen unseres Denkens laufend zu überprüfen und gegebenenfalls zu ändern. Durch Beachtung der sozialen Logik ist das Interaktionsverhalten und die Eigenschaften menschlicher Wahrnehmung zu berücksichtigen.

Aus der Wahrnehmungspsychologie ist bekannt, dass Menschen ihr Urteil am besten auf der Basis relativer Größen und Formen, Farben und Bewegungen bilden. So wird eine Bilanz nicht als Zahlenkolonnen, sondern als quantifiziertes Flussdiagramm mit dicken oder dünnen Linien dargestellt, dann werden aus Daten aussagekräftige und handlungsrelevante Informationen.

Aus der kontinuierlichen Flut von Daten im Unternehmen sind Informationen über den Zustand des Unternehmens zu erzeugen, damit dieser Raum zu einem Raum tragfähiger Entscheidungen wird. Dazu benötigt es einer systematischen Auseinandersetzung mit möglichen Zukünften (Szenarien) und einer klaren organisatorischen Verankerung von Entscheidungen, bei der unterschiedliche Perspektiven, Wissensbestände und Information in der Entscheidungsfindung integriert werden [2].

Architektonischer Raum der Entscheidung

An den Wänden des Raumes der Entscheidung sind vorteilhafter Weise vier Kontexte verortet [2]. Dabei ist der Einsatz von Informationstechnologie keinesfalls der entscheidende Punkt. In der Hauptsache kommt es darauf an, mehrere Kontexte desDenkens nebeneinander zu benutzen.

Das Denken in Steuerungsgrößen hilft, anhand operativer und strategischer Kennzahlen einen brauchbaren Überblick über die aktuelle Lage des Unterneh­mens zu gewinnen. Erwartetes ist von
Unerwartetem zu unterscheiden und insbesondere unerwartete Erfolge sollten analysiert werden.

Das Denken in einem Organisationsmodell fördert die Vorstellungen über die eigene Organisation(seinheit) in ihrem Umfeld. Ziele mit der dazu nötigen Ressourcenallokation sind ebenso zu verfolgen von getroffenen Entscheidun­gen mit ihren Annahmen und Erwartungshaltungen.

Das Denken in Wirkungsgefügen dient dem plausiblen Modellieren des aktuel­len (veränderlichen) Zusammenspiels der Erfolgsfaktoren. So wird ein tiefergehendes Durchdenken von Wenn-Dann-Prognosen, Road Maps und #Szenarien möglich.

Das Denken in einem thematischen Fokus kanalisiert der Kommunikationen durch das Einblenden relevanter Fotos, Internetseiten und Videos über den Gesprächsgegenstand. Darüber hinaus kann hierbei jederzeit interaktiv an der Erstellung eigenhändiger Skizzen und graphischen Modellen gearbeitet werden.

Hilfreiche Kommunikation

In dem architektonischen Raum der Entscheidung gilt es, aus der ununterbrochenen Flut von hereinkommenden Daten wirksame Informationen über den Zustand der Organisation(seinheit)
zu erarbeiten. Es geht dabei aber nicht allein um das Denken, sondern insbesondere auch um das Versprachlichen von Gedankengängen. Es geht darum, für eigene Annahmen und Urteile zu plädieren und fremde Vorstellungen zu erkunden. Um Unterschied zu traditionellen Gesprächsformen Diskussion und Debatte geht es keinesfalls darum, (s)eine Meinung durchzusetzen und zu dominieren. 

Zur Erarbeitung übergreifender Entscheidungen braucht es vielmehr eine Form der Kommunikation, die das Potential der aktuell im Raum verfügbaren Expertise aller beteiligten Personen zu aktivieren. Dazu gehört unbedingt, aktiv zuzuhören, eigene Meinungen zu hinterfragen und allen Personen sowie allen Redebeiträgen mit wertschätzendem Respekt zu begegnen.

Kommunikativer Raum der Entscheidung

Um das aktuell im Raum verfügbare Potential sich entfalten zu lassen, sitzen die Akteure vorteilhafter Weise im Kreis, damit jede Person von allen gesehen und gut gehört werden kann. Der Gesprächsverlauf [3] wird durch die Verwendung eines Redesymbols deutlich verlangsamt, damit die Teilnehmenden in den Gesprächspausen bzw. Schweigeminuten ungestört ihre eigenen
Gedankengänge entwickeln und verfolgen können.

Um bei der Entscheidungsfindung auch intuitive Impulse zuzulassen, geht es dabei zugleich um das eigene Denken und das eigene Fühlen. Das Kommen, Verweilen und Gehen eigener Gedanken und Gefühle wird beobachtet, wobei das Denken und das dazugehörige Fühlen bewusst auseinandergehalten werden [4].
Durch das
Zuhören ausgelöste und beobachtete Gedanken und Gefühle kann gesprochen oder geschwiegen werden. Ein kommunikatives Erlebnis, in dem dies gelingt, nennt man #Dialog.

Bei einer solchen fachdisziplin- und abteilungsübergreifenden Kommunikation zur Entscheidungsfindung nutzt man also die zumeist übersehene Tatsache, dass Denkergebnisse (z. B. Annahmen, Urteile, Argumente oder Meinungen) letztlich immer nur eine Resonanz vorausgegangener Denkprozesse sein kön­nen. Daher wird versucht, einander an den eigenen an den eigenen (gewohn­ten) Denkprozessen teilnehmen zu lassen, mit denen eigene Erlebnisse beob­achtet und verarbeitet werden.

Denkraum der übergreifenden Entscheidungsfindung

Ein hier skizzierter architektonischer und kommunikativer Raum für das gemeinsame Nachdenken von Schlüsselpersonen eines Unternehmens leistet gute Dienste als Management-Cockpit [5]. Es werden polykontextural begrün­dete Handlungsmöglichkeiten entwickelt, die jede Form von Entscheidungs­vorbereitung oder Entscheidungsfindung tiefgründig unterstützten. In diesem Zusammenhang leistet das St.Galler Management-Modell [1] mit seinen Perspektiven, Kategorien und Begrifflichkeiten gute Dienste als eine erlernbare, gemeinsam nutzbare Reflexionssprache.

Literatur

[1] Rüegg-Stürm, J./Grand, S. (2019): Das St. Galler Management-Modell. Management in einer komplexen Welt, Bern: Haupt.

[2] Pfiffner, M. (2019): Die dritte Dimension des Organisierens. Steuerung und Kommunikation, Wiesbaden: SpringerGabler

[3] Wilms, F. (2013): Dialog als Weg des gemeinsamen Denkens, in: Business + Innovation 03/2013, S. 52 – 59

[4] Wilms, F. (2011): Gedanken zur ros(t)igen Zukunft der Weiterbildung; in: Lernende Organisation, Juli/August 2011, S. 65

[5] Wilms, F. (2010): Dialog im Management-Cockpit; in: Trainer-Kontakt-Brief 10/10, S. 13

Worauf betriebswirtschaftlicher Erfolg beruht

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Bei der Gestaltung einer Wertschöpfung sind Strukturen und Prozesse des Vorgehens, ermittelbare Daten und Informationen über das eigene Tun sowie Erwartungen und Verhaltensweisen der Beteiligten integrativ zu berücksichtigen. Was bedeutet das im Kern?

Heute werden Prozesse der Wertschöpfung arbeitsteilig sowie zeitlich und/oder örtlich verteilt realisiert. Es ist eine Binse, dass dabei jeder Prozess in einen Kontext eingebettet ist. Daher können Maßnahmen zur Planung, zum Aufbau und zur Steuerung des Prozesses nur dann ihre Wirkung entfalten, wenn sie kontextsensitiv entwickelt und umgesetzt werden. Worauf ist dabei besonders zu achten, um den Erfolg nicht zu gefährden?

Strukturen und Prozesse

Wesentlich für den betriebswirtschaftlichen Erfolg ist zunächst die Wertschöpfungsarchitektur. Hierbei geht es um das Bewusste Bedenken und Mitgestalten zieldienlicher, längerfristig angelegter Strukturen und Prozessen (bzw. Standardprojekten) im Vorgehen. Damit können fortlaufend und unabhängig voneinander Handlungen mit erwartbaren positiven Folgen so zusammengefügt werden, dass sie zu gewünschten Beiträgen eines Gesamtergebnisses führen. Hierzu passende Erkenntnisse sind im deutschsprachigen Raum im Fachgebiet Organisation(slehre) [6] verortet.

Daten und Informationen

Zweitens ist es für den betriebswirtschaftlichen Erfolg wesentlich, aufgrund erhobener Daten und ihrer Verdichtung zu Informationen die Wertschöpfungsarchitektur in ihrem Kontext gezielt zu verändern. Damit werden Bedürfnisse der Stakeholder aktiv erkundet und die Wertschöpfung so weiterentwickelt, dass sie den Interessengruppen einen aktuellen Nutzen bietet. Hierzu passende Erkenntnisse sind in dem Fachgebiet verortet, das im deutschsprachigen Raum Business Analyse [3] und auf internationaler Ebene Business Analysis [1] genannt wird.

Erwartungen und Verhaltensweisen

Drittens ist es für den betriebswirtschaftlichen Erfolg wesentlich, die Strukturen und Prozesse der Wertschöpfung so mitzugestalten, dass mit ihnen die Erwartungen und Verhaltensweisen der Beteiligten auf den übergeordneten Zweck des angestrebten Gesamtergebnisses ausgerichtet werden. Hierzu passende Erkenntnisse sind in dem Fachgebiet Organizational Behavior [4] verortet, das im angelsächsischen Raum zum Grundstock von sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Studiengängen gehört.

Wirksame Realität

Jede wirksame Realität ist keinesfalls einfach da, sondern sie wird von den Beteiligten erst kommunikativ erzeugt [5]: Einzeln und gemeinsam werden Beobachtungen und damit erzielte Beobachtungsergebnisse, gedankliche Vorstellungen, argumentative Begründungen sowie grundlegende Annahmen und damit zusammenhängende Deutungen schriftlich und/oder mündlich kommuniziert und miteinander ausgetauscht.

In gemeinsamen Prozessen der Kommunikation von Erfahrungen, Deutungen und abgeleiteten Schlussfolgerungen werden inhaltliche Bedeutungen, wirksame Kausalitäten und akzeptable Erklärungen aktueller Ereignisse in verbindlicher Weise erzeugt. Dieser kommunikative Prozess der gemeinsamen Verständigung wird von den Beteiligten in dem Maße als „wirksam“ erlebt, in dem er Resonanz auslöst und als Bezugspunkt für weiteres Tun verwandt wird.

Sensemaking

Im angelsächsischen Raum wird dieser Kommunikationsprozess mit dem Begriff Sensemaking [7] belegt. Durch Sensemaking entwickeln die Beteiligten einer arbeitsteiligen Wertschöpfung eine sie verbindende und für sie verbindliche Absprache über die wirksame Realität. Dadurch halten die Beteiligten einen gedanklichen Kontakt zu ihrer Organisation(seinheit) und deren Verständnis des derzeitigen Standes der Wertschöpfung. Bei Störungen dieses Sensemakings können die Beteiligten nur noch auf ihr individuelles Denken zurückgreifen, was jedes kooperative Handeln vollkommen unnötig erschwert.

Kernbaustein des Erfolgs

Es ergibt sich, dass die (medienvermittelte) Kommunikation der zentrale Baustein eines betriebswirtschaftlichen Erfolgs ist. Ohne hier auf die Unterschiede zwischen direkter und technikverstellter Kommunikation einzugehen ist es in jedem Fall ratsam, insbesondere in unübersichtlichen Situationen die Art und Weise der gewohnten interne Kommunikation zu hinterfragen und die Funktionsfähigkeit des Kommunizierens zu stärken.

Genau dies macht das Denken in sozialen Systemen [2] wertvoll: Eine Organisation(seinheit) besteht im Kern aus aufeinander verweisenden Kommunikationen (in/von Entscheidungen), die jeweils selber Anknüpfungspunkt für spätere Kommunikationen sind. Personen sind also der Umwelt der Organisation(seinheit) zuzurechnen.

Steuerung einer Wertschöpfung

Maßnahmen zur Planung, zum Aufbau und zur Steuerung einer Wertschöpfung entfalten ihre Wirkungen, wenn sie kontextsensitiv entwickelt und umgesetzt werden. Im Kern geht es dabei um die bewusste Gestaltung von reflexiven Kommunikationen [5]. Und dies sowohl bei der Arbeit an/mit Strukturen und Prozessen des Vorgehens, beim Umgang mit verfügbaren Daten und Informationen über die Bedingungen des Vorgehens sowie beim Berücksichtigen von Erwartungen und Verhaltensweisen der Beteiligten. Die Qualität des kommunikativen Sensemakings bestimmt das Maß des betriebswirtschaftlichen Erfolgs, der in Währungseinheiten gemessen wird. Kurzum: Es macht Sinn, Sensemaking zu betreiben!

Zusammenfassung

Maßnahmen zur Planung, zum Aufbau und zur Steuerung einer Wertschöpfungsarchitektur entfalten ihre Wirkung, wenn sie kontextsensitiv entwickelt und umgesetzt werden. Zu diesem Kontext gehören Strukturen und Prozesse des Vorgehens, ermittelbare Daten und Informationen über das eigene Tun sowie Erwartungen und Verhaltensweisen der Beteiligten.

Im Kern der Bemühungen sollte die Mitgestaltung kommunikativer Prozesse der gemeinsamen Verständigung sein, denn ihre Resonanzen sind die Bezugspunkte für das weitere Tun. Daher gilt: Der betriebswirtschaftliche Erfolg wird maßgeblich geprägt durch die Qualität der Verständigung.

[1] ILLBA (2015): A Guide to the Business Analysis Body of Knowledge® v3, Toronto; deutsch: ILLBA (2017): BABOK® v3: Leitfaden zur Business-Analyse, Gießen.

[2] Luhmann, N. (2011): Organisation und Entscheidung, Wiesbaden, 3. Aufl.

[3]  Minonne, C. (2016): Business-Analyse, Stuttgart.

[4] Robbins, St. S./Judge T. A. (2018): Organizational Behavior, Pearson, 18th ed.

[5] Rüegg-Stürm, J./Grand, S. (2019): Das St. Galler Management-Modell. Management in einer komplexen Welt, Haupt.

[6] Vahs, D. (2019): Organisation, Schäffer-Poeschel, 8. Aufl.

 [7]  Weick, K. E. (1985): Der Prozess des Organisierens, Surkamp.

 

Theorieorientierte Praxis und praxisorientierte Theorie

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Theorieorientierte Praxis und praxisorientierte Theorie

Praktisches Tun ist auch ein Ausfluss vorherigen Denkens und abstrahierende Reflexion bezieht sich stets auch auf das konkrete Umsetzen in der Praxis. Erfolgsversprechend ist also eine reflektierte Handlungsorientierung, die gegebene Rahmenbedingungen beachtet und dient einem zweckdienlich ist (Fit for Purpose?)

Insofern sind Praxis und Theorie zwei Schwestern, die sich eigentlich gut vertragen könnten. Eigentlich. Praktikern und Pragmatikern und bleibt diese gute Verträglichkeit verborgen. Sie richten ihr Tun an bekannten(!) situativen Gegebenheiten aus und stellen das praktische Handeln über die theoretische Vernunft. Sie benutzen eine Theorie nur dann, wenn ihre praktischen Konsequenzen zu dem von ihnen erwünschten Ziel führen. Das nennen Sie dann „Praxisorientierung“ und meinen damit eine möglichst große Zielerreichung, ohne sich dabei um (zumindest kurzfristig) unveränderliche Prinzipien zu kümmern.

Konkrete Handlungsorientierung

Praktiker und Pragmatiker orientieren sich eher an konkretisierenden Handlungen, die vornehmlich zur Realisierung von erwünschten Ergebnissen vollzogen werden. Sie bemühen sich daher kaum um grundlegende Gesetzmäßigkeiten, die anderen Gesetzmäßigkeiten übergeordnet sind. Ein eingefleischter Praktiker hält sich vornehmlich an die selbst erlebte Praxis, die er jeder Theorie vorzieht. Ein Pragmatiker hingegen ist jemand, der in der Praxis steht und dabei ziel- und lösungsorientiert denkt und handelt.

Praktiker und Pragmatiker können mit ihrem Vorgehen durchaus Erfolge erzielen. Aber sie können zumeist kaum erkennen, dass der Erfolg ihres Tuns von der Gültigkeit bestimmter Gegebenheiten abhängt, also kontextabhängig ist. Wenn das Problem darin besteht, das zwei Bauernsöhne eine Kuh erben, dann lautet die praxisorientierte Lösung: Jeder bekommt eine Hälfte der geerbten Kuh.

Abstrahierende (Selbst)Reflexion

Theoretiker hingegen orientieren sich an eigenen und dokumentierten fremden abstrahierenden Denkvorgängen, die vornehmlich zum Aufbau von Erkenntnissen vollzogen werden. Die Gültigkeit der dabei abgeleiteten Erkenntnisse sind ebenfalls abhängig von der Existenz und der Wirkung des jeweiligen Kontextes. Aber nützliche und verunmöglichende Kontexte werden mit in die Überlegungen einbezogen! Wenn das Problem darin besteht, das zwei Bauernsöhne eine Kuh erben, dann lautet die theorieorientierte Lösung: Die Aufteilung von Kosten und Nutzen erfolgt zu gleichen Teilen. So kann man die Kuh zerteilen, dann hat man kurzfristig ein Ergebnis. Ebenso gut kann man aber langfristig denken, sich Aufwände und Erträge teilen und die Kuh melken und kalben lassen; damit ergeben sich viele Möglichkeiten, von denen die meisten einen höheren Gesamtnutzen erwarten lassen als die reinpraxisorientierte Lösung.

Reflektierte Handlungsorientierung

In der Praxis werden konkrete Ergebnisse erzielt, indem Handlungen aus der Menge der an sich möglichen Handlungen in begründeter ausgewählt und vollzogen werden. Die Menge der Möglichkeiten und die Begründbarkeit werden allerding durch theorieorientierte Erkenntnisse deutlich verbessert. Weil dies so ist, sind und bleiben die Praxis und die Theorie zwei Schwestern, die sich gut vertragen!

Zur Dokumentation der Denkoperationen, die eine Anwendungsorientierung von anderem unterscheiden und sie als den Unterschied reproduzieren, den Anwendungsorientierung macht, verwende ich die Notation des Formkalküls von George Spencer-Brown [1]. Mit ihr kann ich die (kognitiven) Unterscheidungen anschreiben, die ich als Beobachter meiner Gedanken getroffen habe um Zustände zu bezeichnen, die ich von anderen Zuständen unterscheide. Die obigen Notationen mit dem Formkalkül sind folgendermaßen zu lesen:

Die Anwenderorientierung

1)  unterscheidet zwischen Praxis und Theorie

2)  bedarf des wechselseitigen Bezugs von Praxis und Theorie

3)  versteht praktische Handlungen als Ausfluss von Theorie und bezieht Theorie stets auf die konkrete Umsetzung in der Praxis

4)  jede reflektierte Handlungsorientierung hat gegebene Rahmenbedingungen zu beachten und dient einem Zweck

Kurzum: Theorieorientierte Praxis und praxisorientierte Theorie sind zwei sich gut vertragende Schwestern! Beide kommen immer zusammen zu Besuch.

Anwendungsorientierte Hochschulen

Genau hier knüpfen denn auch Studienangebote von anwendungsorientierten akademischen Hochschulen an. Sie orientieren sich stärker als Universitäten an den Problemstellungen der (beruflichen) Praxis. Anwendungsorientierte Studienangebote bieten vielfältige Gelegenheiten zum Ausbau der Fähigkeit, verfügbare theoretische Inhalte gemäß ihrer Zweckdienlichkeit in der Praxis des Berufsalltags nutzbar zu machen. Eigene und fremde praktische Handlungen werden im Verbund mit theoretischen Erkenntnissen ziel- und lösungsorientiert konkret angewandt.

Anwendungsorientierte Studienangebote sind im Kern ein Bemühen darum, die Sinnhaftigkeit der vermittelten theoretisch begründeten Inhalte und ihre mitunter komplexen Wechselwirkungen zueinander begreifbar und diesbezüglich hilfreiche Methoden konkret im Einzelfall anwendbar werden zu lassen. Genau dafür aber braucht es einen permanenten Austausch in der direkten Begegnung auf dem Marktplatz der Meinungen, Interessen und Erkenntnissen (Agora).

Anwendungsorientierte akademische Lehre

Die anwendungsorientierte akademische Lehre ist etwas grundständig Anderes als das bloße Bereitstellen vorformatierter digitaler Lern-Units, die schön voneinander getrennt je nach aktuellem Bedarf und derzeitigem Zahlungsvermögen auf digitalen Plattformen adressiert und abgerufen werden können. Das scheitert neben dem direkten Erleben schon daran, dass sich Probleme in der Praxis in keinster Weise an Trennungen des menschlichen Geistes orientieren.

 

In der anwendungsorientierten akademischen Lehre geht es um das begründete Generieren zweckdienlicher Handlungen und Entscheidungen zwischen „Logik und Psycho­Logik“. In ergebnisoffenen Formen der (moderierten) Koordination von Einzelbeiträgen gilt es, Lösungswege für Praxisprobleme zu erkunden. Orientiert am jeweiligen Ziel sind mögliche Handlungsweisen zu erarbeiten und anhand erwartbarer Erfolgswirkungen zu beurteilen.

 

Quantitatives Denken

Anwendungsorientierte Lehrangebote bereiten hilfreiche verfügbare Zahlen sinnerfassend und adressatenorientiert auf und arbeiten ihre problemwirksame Bedeutung für den praktischen Erfolg heraus. Vielfach sind verfügbare Informationen unscharf und/oder unsicher. Daher ist oftmals statt einer optimalen Lösung ein zufriedenstellendes Vorgehen (Satisficing) anzustreben, das möglichst viele der zu Anfang formulierten Ansprüche befriedig.

 

Durch dieses grundlegende Vorgehen wird die anwendungsorientierte akademische Lehre auf eine begründete Basis gestellt und dabei zugleich die Rationalitätsdefizite im Vorgehen begrenzt, die aufgrund bestehender kognitiver Grenzen und der Tendenz zu Opportunismus der Teilnehmenden kaum zu vermeiden sind. Es wird in Zukunft immer stärker darauf ankommen, Standards in der Interpretation von Zahlen, Daten und Informationen zu entwickeln, über die in Zeiten der permanenten Veränderungen flexibel und verlässlich mit internen und externen Stakeholdern vertrauensfördernd kommuniziert werden kann.

 

Erfolgsformate der direkten Begegnung

Eine anwendungsorientierte akademische Lehre hat zu beachten, dass die meisten Erfolgsformate in der direkten Begegnung stattfinden. Direkte soziale Interaktion und wechselseitiges Irritieren ist ein gemeinsamer Nenner von kurzen Lerneinheiten durch Barometer, Brand Sprints, Brainwarming, Buzz-Groups (“Flüstergruppen”), Draw Toast, Fermieren, Fishbowl, Five-to-Fold, Genuine Contact, Gruppenpuzzle (“Jigsaw-Methode“), Kugellager, Marktplatz, Pro-Contra-Debatte, Stationengespräche, Take home message / Kernsätze, Wicked Question Game. Für längere Methoden wie After Action Review, Appreciative Inquiry, Art of Hosting, Design Thinking, Dragon Dreaming, Dynamic Facilitation, Open Space, Thinking Environment bzw. Thinking Circle, Wisdom Council, World Café oder Zukunftswerkstatt gilt das Gleiche.

 

Eine wirksame anwendungsorientierte akademische Lehre ist ein Angebot zum Erleben eines Ereignisses, das sich vom Alltag so sehr unterscheidet, dass es lange im Gedächtnis bleibt. Dabei geht es immer auch um das Faszinosum des Haptischen: Begreifen (= Verständnis) ist ohne das Begreifen (Berührtwerden) kaum möglich, zumindest keinesfalls erleichtert. Das physische Zusammensetzen fördert das geistige Auseinandersetzen mit einem Thema, einer Aufgabe oder einer Problemstellung.

 

Digitale Lehre hat Grenzen

Die anwendungsorientierte akademische Lehre darf nicht durch eine instrumentelle Digitalisierung zu einer digitalen Plattform des Bereitstellens von vorformatierten Lern-Units verkommen, die voneinander getrennt angeboten werden. Das würde die feinen Unterschiede zwischen durchschnittliche Lerneinheiten einerseits und tiefenwirksamer, faszinierender Lehre vollkommen missachten.

 

Eine gute anwendungsorientierte akademische Lehre benötigt durchgehend die Chance, spontan zu reagieren, wenn man in ratlose oder gar gleichgültige Gesichter sieht. Sie wird durch die Modulations-Möglichkeiten der Stimme des Lehrenden gefördert, die bei digitaler Übertragung unmöglich ist oder zumindest grotesk verzerrt erfolgt. Sie benötigt durchgehend Möglichkeiten, aus dem aktuellen Geschehen heraus sinnvolle Pausen zu setzen. So kann sich der Lehrstoff setzen und aus einem Informationswirbel allmählich Substanz werden. Arbeiten Menschen gemeinsam an relevanten Fragen oder Aufgabenstellungen, entstehen neues Wissen und Ideen besonders leicht. Der Wert und die Wirkung des Lernens in der direkten Begegnung werden von denen verkannt, die verstärkt auf digitale Lehrformen setzen!

Zusammenfassung

Die Praxis und die Theorie sind zwei Schwestern, die sich gut miteinander vertragen. Reine Praktiker können durchaus Erfolge erzielen. Aber sie können die Kontextabhängigkeit ihres Tuns nicht erkennen. Dazu ist abstrahierendes Denken nötig, in dem u.a. auch nützliche und verunmöglichende Kontexte mit einbezogen werden. Eine gute anwendungsorientierte akademische Lehre berücksichtigt dies und bemüht sich um Lernerlebnisse, die erlebbare Ereignisse sind. Sie bleiben im Gedächtnis, weil sie sich vom Alltag sehr unterscheiden. Es geht um Begreifen (= Verständnis) durch Begreifen (Berührtwerden), um physisches Zusammensetzen zur Förderung des geistigen Auseinandersetzens. Weil das nicht mit dem Konsum von Facebook geht, sondern das Erleben von Face to Face bedarf, sollte die anwendungsorientierte akademische Lehre keinesfalls verstärkt auf digitale Lehrformen setzen!

[1]  Spencer-Brown, G. (1969): Laws of Form, London: Allen & Unwin. Erläuternd dazu Schönwälder-Kuntze, T./Wille, K./Hölscher, Th.( 2009): George Spencer Brown. Eine Einführung in die “Laws of Form”, 2., überarb. Aufl., Wiesbaden: VS Verlag.

 

Tiefgehendes Problemverständnis

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Gemeinsames Problemverständnis

Für das Verstehen einer Problematik sind Grenzen von Fachdisziplinen, Perspektiven und Zuständigkeiten zu überschreiten. Um die Komplexität eines Sachzusammenhangs zu verstehen ist kontextübergreifendes Wissen nötig. Dieses Wissen liegt jenseits der Grenzen von Fachdisziplinen, Perspektiven oder Zuständigkeiten.

 

Verstehen vollzieht sich in einem Kontext

Jedes Geschehen ist in ein Umfeld eingebettet. Das Zusammenspiel zwischen dem Geschehen und seinem Umfeld gilt es zu erkunden, wenn man das Geschehen verstehen möchte. Die Sprachwissenschaft knüpft daran an und fasst alle Komponenten einer Kommunikation, die das Verständnis einer Äußerung bestimmen, als „Kontext“.

In gemeinsamen Gesprächen über eine Problemsituation benutzten die Beteiligten ihnen gewohnte bzw. als passend empfundene Kontexte. Bemerkte Missverständnisse werden dabei in starkem Maße von der kaum bemerkten Verschiedenheit der benutzten Kontexte bestimmt.

 

Zugang zu kontextübergreifendem Wissen

Wir nennen unser Konzept Circu [1], abgeleitet aus Zirkel (alth. circil, von lat. circulus „Kreisbahn“), was im ursprünglich ein Personenkreis mit gleichem Interesse an einem Thema bedeutete. Diesen Grundgedanken beziehen wir auf das Interesse an einem gemeinsamen Verstehen einer komplexen Problematik.

Tragfähige Problemlösungen benötigen ein Verständnis, das zwischen überlappenden Kontexten entsteht. Zur Ableitung solcher Lösungen wurde das Konzept des Circu entwickelt. Es dient als anfängliche Ordnungsrelation von Kategorien des Nachdenkens über einen Sachzusammenhang. Dies ist alleine oder in Gruppen möglich.

 

Die Arbeit mit dem Circu

Die Arbeit mit dem Konzept des Circu ermöglicht den Zugang zu kontextübergreifendem Wissen. Dazu wird zunächst die eher grob ausformulierte Problematik den teilnehmenden Personen kurz vorgestellt. Dann werden die Kontexte Kommunikation, Zusammenarbeit, Wandel und Beständigkeit auf einzelnen Tischen im Raum verteilt. Für jeden Tisch wird ein Gastgeber gefunden und die teilnehmenden Personen setzen sich nach freier Wahl an die Tische. Dann wird an jedem Tisch wird das "Problem“ ausschließlich aus der Sicht des diesem Tisch zugeordneten Kontextes besprochen.

Jede teilnehmende Person nimmt so lange an einem Gespräch teil, wie sie möchte und kann jederzeit zu einem anderen Tisch wechseln. Es gibt dabei ausdrücklich keine zeitlichen Festlegungen für das Besprechen oder das Wechseln. Der gesamte Prozess dauert zumeist mindestens eine Stunde und kann auch noch länger dauern.

 

Kontextübergreifendes Wissen generieren

Mit dieser Umsetzung des Circu entsteht an den Tischen kontextgebundene Erkenntnisse und durch das Wechseln der Tische ein Wechseln des Kontextes des eigenen Denkens. Mit dem Weg an den einzelnen Tischen vorbei entsteht für jede beteiligten Person ein (nicht immer nahtlos kompatibles) kontextübergreifendes Wissen. Der eigene Weg zwischen den Tischen wird zu einem individuellen Lernweg, auf dem bislang unbekannte thematische Beziehungen erkannt und ein vertieftes Verständnis der komplexen Problematik erreicht wird.

Die teilnehmenden Personen gehen verschiedene Wege, entdecken unterschiedliche Erkenntnisse und erleben ungleiche Erfahrungen. Jede Person bewegt und verbindet die Kontextualisierungen ihres Weges durch den Raum auf ihre eigene Art und Weise. Die derart angereicherten individuellen Vorstellungen werden dann abschließen in einer (moderierten) Abschlussrunde ausgetauscht.

 

Gemeinsames Verstehen

Hierbei wird tiefgreifend erkannt, dass wesentliche Merkmale des Problems zwischen mehreren überlappenden Kontexten wirken. Es kommt dann zugleich zu individuellen und zu kollektiven Lernprozessen. Sie beziehen sich insbesondere auf kontextübergreifende Zusammenhänge der Problemsituation jenseits der Grenzen von Fachdisziplinen, Perspektiven oder Zuständigkeiten. Es kommt zu einer kommunikativen Verständigung in einem Prozess des Sensemaking [3]. Die Gestaltung solcher Prozesse ist eine Hauptaufgabe von Management, jedenfalls im Verständnis des aktuellen St.Galler Management-Modell [2].

 

Zusammenfassung

Die Komponenten einer Kommunikation, die das Verständnis einer Äußerung bestimmen, bilden einen „Kontext“. Für ein Verstehen eines Sachzusammenhangs ein kontextübergreifendes Wissen nötig, denn: Wesentliche Merkmale eines Problems wirken zwischen mehreren überlappenden Kontexten. Die Arbeit mit dem Konzept des Circu ermöglicht das Generieren von kontextübergreifendem Wissen. Es kommt dabei zu Lernprozessen, die sich insbesondere auf kontextübergreifende Zusammenhänge jenseits von Fachdisziplinen, Perspektiven oder Zuständigkeiten beziehen. 

 

[1] Meusburger, M./Wilms, F. (2016): Das CIRCU. Konzept - Anwendung - Beobachtung, Berlin, insb. S. 13 – 36.

[2] Rüegg-Stürm, J./Grand, S. (2019): Das St. Galler Management-Modell. Management in einer komplexen Welt, Bern; dies. (2019): Managing in a Complex World. The St. Gallen Management-Model, Bern.

[3] Weick, K. E. (1985): Der Prozess des Organisierens, Frankfurt am Main.

Miteinander statt gegeneinander

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Gemeinsames Verständnis ist möglich

In unübersichtlichen Problemlagen ist für einen realitätsnahen Überblick das verfügbare Wissen verschiedenster Fachdisziplinen zu integrieren. Wie ermöglicht man Vertreter einzelner Fachgebiete, miteinander zu denken und nicht gegeneinander zu streiten?

Oft sind Vertreter verschiedenster Anspruchsgruppen an einen Tisch zu bringen und eine für alle akzeptable Problemhandhabung zu erzielen. Dabei ist bereits die gemeinsame Formulierung der eher unübersichtlichen Problemlage eine echte Hürde. Dies ist dann oft ein Anlass für eine externe
Beratung.
 

Das Hervorbringen von Resultaten des Denkens

Für ein gemeinsames, ergebnisoffenes Denken ist zunächst zu klären, wie „denken“ zu verstehen ist. Grundsätzlich geht es um einen kognitiven Vorgang. Aus inneren Vorstellungen, Erinnerungen, Erfahrungen und Begriffen wird eine Erkenntnis über externe Sachzusammenhänge geformt. Oft ist
nur das entstandene Resultat des Denkens bewusst und nicht die Operationen des Denkens, die dieses Resultat hervorbringen.

Für ein gemeinsames Verständnis sind die Operationen des Denkens in den Fokus zu stellen: Wenn die Beteiligten ihr jeweiliges Vorgehen beim Denken den anderen mitteilen, dann werden alle bei korrekter Anwendung dieses Vorgehens zu sehr ähnlichen Denkergebnissen bzw. Erkenntnissen
kommen.

Eigenes Denken darlegen und fremdes Denken erkunden

Dann können Vertreter verschiedenster Fachdisziplinen oder Anspruchsgruppen ihr eigenes Denken darlegen und fremdes Denken erkunden. Aus einer ansonsten nahezu unweigerlichen Auseinandersetzung um Denkergebnisse (z. B. Meinungen und Erkenntnisse) wird ein Ringen um eine gemeinsame Form des Denkens.

In meinen Beratungen erkunde ich das Denken, mit denen die Prozessbeteiligten „das Problem“ in ihrem Bewusstsein hervorbringen, von anderem unterscheiden und es als diesen wirksamen Unterschied reproduzieren. Genau hierfür bietet sich die Notation des Formkalküls von George Spencer-Brown [4] [3] an. Mit ihr sind Unterscheidungen beschreibbar, die Beobachter treffen und dadurch Zustände bezeichnen, die sie von anderem unterscheiden. Es geht also um Formen des Denkens.

Die Notation der Form (des Denkens)

Die mit dem Formkalkül von George Spencer-Brown notierten Formen haben keinesfalls eine Materie, Information, Energie oder Substanz! Sie beschreibt die Grundoperation des Unterscheidens, die Beobachter treffen, um Zustände zu bezeichnen und von anderem zu unterscheiden.

Um zu einer gemeinsamen Form des Denkens zu gelangen notiere in meinen Beratungen die Antwort auf folgende Frage: „Wie schaffen Sie es‚ das Problem so zu sehen und nicht anders?“ Das Arbeiten bzw. Notieren der Formen des Denkens beherbergt eine Schatzkiste für das gemeinsame Verstehen einer Problemstellung.

Oft wird das Problem darin gesehen, dass in bestimmten (ökonomischen, sozialen, ökologischen, politischen oder familiären) Umfeld ein erwarteter Nutzen (oder"Beitrag zum Ganzen") mit wachsender Wahrscheinlichkeit als "gefährdet" eingestuft wird. Dafür werden bedeutsame Faktoren genannt und mit Messgrößen konkretisiert. Messgrößen und Faktoren liegen auf verschiedenen Abstraktionsebenen und verweisen aufeinander. Anhand von beiden wird ein Nutzen für ein bestimmtes Umfeld ermittelt.

Dies wird in der dazugehörigen Notation mit dem Formkalkül so dargestellt:

Von rechts nach links sind die Komponenten zunehmend bestimmt und von links nach rechts zunehmend unbestimmt. Daher sind die Messgrößen links neben dem Gleichheitszeichen platziert und das Umfeld ganz rechts.

Das Entbergen von Wirklichkeit

Die gemeinsame Notation von Denkformen ermöglicht Vertretern verschiedener Fachgebiete, Interessen oder Anspruchsgruppen, miteinander zu denken. In meinen Beratungen erlebe ich immer wieder, wie aus einer anfänglich spannungsgeladenen Unübersichtlichkeit der Problemlage allmählich ein Entbergen im Sinne von Heidegger passiert, das Erkenntnis hervorbringt und eine von allen Beteiligten geteilte Wahrheit generiert [1].

Es werden phänomenologische [2] Erfahrungen gemacht, die sich kaum bis gar nicht in bisherige Vorstellungen einfügen oder aus ihnen ableiten lassen. Das irritiert die Beteiligten zunächst. Es verändert ihr Verständnis der Problemsituation und ihre Bedeutung grundlegend. 

Gemeinsames Verständnis erreichen

Die Arbeit mit den Formen des Denkens macht den Beteiligten die Operationen des Denkens zugänglich. Statt auf einzelne Resultate des Denkens aufzubauen, wird der Vollzug des Denkens zur
Grundlage der Problemhandhabung. Auf dieser Basis gelingt eine gemeinsame Formulierung der unübersichtlichen Problemlage. Und es erleichtert damit die Herleitung einer für alle akzeptablen Problemlösung.

 

Zusammenfassung

Gemeinsames Denken verlangt eine Abkehr von den Meinungen, Standpunkten und Erkenntnissen. Sie sind Resultate des Denkens, die von Denkvorgängen hervorgebracht werden. Gemeinsames Verstehen verlangt, eigenes Denken darzulegen und fremdes Denken zu erkunden. Das Formkalkül von Spencer-Brown ist dabei hilfreich.


Quellen:

[1]  Heidegger, M. (1943): Vom Wesen der Wahrheit. Frankfurt a. M.: Klostermann

[2]  Heidegger, M. (1927): Sein und Zeit. (Erste Hälfte); in: Jahrbuch für Philosophie und phänomenologische Forschung, Band 8, 1927, S. 35

[3]  Schönwälder-Kuntze, T./Wille, K./Hölscher, Th. (2009): George Spencer Brown. Eine Einführung in die “Laws of Form”, 2., überarb. Aufl., Wiesbaden: VS Verlag

[4]  Spencer-Brown, G. (1969): Laws of Form, London: Allen & Unwin.


Corona und die digitale Transformation

Corona-Shutdown ist, wenn das Tempo der digitalen Transformation Fahrt aufnimmt und home office sowie Kollaborationstools im alltäglichen Leben stark an Bedeutung gewinnen. Doch das sehen viele nicht.

Der flüchtige Blick auf die Oberfläche

Für viele bedeutet Corona-Shutdown lediglich, dass die Bewegungsfreiheit und die Freiheit zu Sozialkontakten staatlicherseits extrem eingeschränkt ist und niemand weiß, wie lange das anhalten wird. Das gesellschaftliche und das wirtschaftliche Leben verlieren an Dynamik und Schnelllebigkeit. Es kommt zu Verlusten an Wohlbefinden und an Wohlstand. Doch das ist nur die Oberfläche. Darunter ereignen sich Entwicklungen, die in der digitalen Transformation ihren gemeinsamen Nenner haben. Davon zeugt auch der aktuelle Entwurf des EU-Rates zur Gestaltung der digitalen Zukunft Europas. In ihm heißt es u. a. , dass Bereiche wie „e-Health, digitale Bildung, e-Government, Datenaustausch und Breitbandkonnektivität“ eine besondere Aufmerksamkeit erhalten sollten.

Soziale Interaktion im Wandel

Das Corona-Virus kann bislang nur dadurch eingedämmt werden, dass einige bisher in der Gesellschaft akzeptierte Verhaltensmuster für bislang unbestimmte Zeit geändert werden. Wir haben also unsere gewohnten persönlichen Interaktionen als Gesellschaft zu verändern. Das gilt auch für den Bildungsbereich, der auf lokaler, regionaler und globaler Ebene bislang stark auf persönlichen Beziehungen aufbaut.

Auch akademische Hochschulen haben zu überlegen, wie sie die Art und Weise, in der Lehrende, Lernende und Administrierende miteinander interagieren und zusammenarbeiten können (wollen). Dabei wird die Anwendung moderner Technologien im Vordergrund stehen. Das allein wird die Pandemie nicht beenden können. Vielmehr hilft es den beteiligten Personen und den Institutionen, sich auf die veränderten Rahmenbedingungen einzustellen.

Ein beispielhafter Blick unter die Oberfläche

Akademische Hochschulen sind massiv vom Corona-Shutdown betroffen. Für Österreich gilt gemäß dem Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (1), dass an Hochschulen der Lehrbetrieb noch längere Zeit geschlossen und der Forschungsbetrieb aufrecht erhalten bleibt. Demgemäß haben die Hochschulen zwischen dem 9. und dem 16. März ihren Lehrbetrieb auf Distance Learning/Teaching umgestellt und anstehende Prüfungen an bestehende digitale Rahmenbedingungen angepasst.

Was so leicht und locker zu lesen ist, hat es in sich: Schon Aristoteles wusste, dass das Ganze etwas grundsätzlich anderes ist als die Summe seiner Teile. Angewandt auf Distance Learning bedeutet dies: Distance Learning ist etwas grundlegend anderes als die Summe der Komponenten, die für mobile Learning nötig sind. Es sind gerade die unterschiedlichsten Beziehungen zwischen den nötigen Komponenten, die das Neuartige des Distance Learning ausmachen. Fast alle dieser Beziehungen stehen in einem Zusammenhang mit der das gesellschaftliche Zusammenleben grundlegend verändernden digitalen Transformation. Sie verändert jetzt den Wirkungskreis eines Hochschullehrers in einem bislang nicht gekannten Tempo.

Digitale Veränderungen in der (Aus)Bildung

Während Bildung eher zweckfrei verstanden wird, ist Ausbildung eher auf mehr oder minder konkreten Nutzerwartungen bezogen. Bei beiden geht es um ein curricular gesteuertes Lernen mit kanonischen Inhalten und didaktische Formen. Es geht letztlich darum, hinterher etwas zu kennen und zu können, wozu man vorher nicht in der Lage war. Der zentrale Referenzpunkt von Bildung ist letztlich die individuelle Teilhabe an der Gesellschaft. Dem gegenüber ist der zentrale Referenzpunkt von Ausbildung letztlich die berufliche Verwertbarkeit.

Akademische Hochschulen sollen beides im Blick halten, indem sie in der Regel mit promoviertem Personal Lehre und Forschung auf wissenschaftlicher Grundlage mit anwendungsorientiertem Schwerpunkt anbieten.

Akademische Lehrangebote und die diesbezüglichen administrativen Abstimmungen erfolgen in der Corona-Krise fast ausschließlich über eine medienvermittelte, intensive, befristete Zusammenarbeit in übergreifenden Teams [2]. Für Studierende, Lehrende und Administrierende geht es verstärkt darum, Problemstellungen zu erfassen, mit digitalen Mitteln dafür kontextsensitive digitale Lösungen zu konzipieren und diese in konkrete Maßnahmen umzusetzen [3]. Die Fähigkeiten des souveränen Umgangs mit Möglichkeiten und Grenzen von digitalen Medien in verschiedenen (medienvermittelten) Kontexten [7] bekommt die Bedeutung einer zentralen Kompetenz. Das Ansehen einer Person oder einer Organisation wird aktuell maßgeblich gespeist von ihrer Reputation in sozialen Netzwerken und den im Internet über sie zugänglichen Informationen [8].

Absehbare Entwicklungslinien

Es steht zu erwarten, dass im postcorona Zeitalter auch in Hochschulen die Nutzung bzw. die Bereitstellung von Gemeinschaftsräumen mit temporären (gemieteten?), mit digitalen Medien ausgestatteten Arbeitsplätzen zunehmen wird. Sie werden für Hochschullehrer und externe Dozenten als Ort der Begegnung, des miteinander Arbeitens sowie des Teilens von Wissen und Erfahrungen erlebt werden [4]. Das Zusammenwirken von digitalen und analogen Realitäten wird verstärkt zu medienvermittelten sozialen Prozessen führen [5] und einen verstärkten öffentlichen Zugang zur Wissensproduktion sowie der dazu genutzten Informationsquellen und Ergebnissen mit sich bringen [9].

Was bedeuten diese Entwicklungslinien für die akademische Lehre, die ein Hochschullehrer herzuleiten, abzuhalten und abzuprüfen hat? Einerseits ist ein einseitiger Fokus auf die analog erlebte Realität bei Unkenntnis oder Missachtung der digitalen (sozialen) Medien mit ihren Möglichkeiten und Grenzen [1] keinesfalls nützlich, denn damit würde das Reservoir an Wissensquellen unnötig eingeschränkt. Andererseits ist einem Verfall mentaler und sozialer Kompetenzen durch übermäßige Nutzung digitaler Medien zu vermeiden, da ansonsten Wissen weniger gut erworben/behalten und alltägliche Verhaltensmuster nicht mehr angewandt werden würden [6].

Der Weg in die Zukunft

Der robuste Weg in die Zukunft des akademischen Lehrbetriebs führt zwischen analoger Ignoranz [1] und digitaler Demenz [6]. Hochschullehrern, Studierenden und Administrierenden wird wohl ein erhöhtes Maß an Selbstdisziplin und Durchhaltevermögen abverlangt werden. Selbstdisziplin wird z. B. benötigt für die bewusstere Konzentration auf den jeweiligen Arbeitsmodus (digital oder analog). Durchhaltevermögen wird benötigt, um z. B. Irritationen und Herausforderungen der digitalen und der analogen Welt zu meistern und so in der digital-analogen Realität [5] zu bestehen.

Auch wenn es viele sehen (wollen): Das Tempo der digitalen Transformation hat Fahrt aufgenommen. Home office ist allgemein akzeptiert. Kommunikations- und Kollaborationstools sind aus dem alltäglichen Leben kaum noch wegzudenken. Die Bewegungsfreiheit und die Freiheit zu Sozialkontakten werden irgendwann nicht mehr eingeschränkt sein. Wohlbefinden und an Wohlstand werden wieder steigen. Aber ein Zurück zur Vor-Corona-Zeit wird nicht mehr gelingen Ein weiter so wie bisher wird unmöglich bleiben.

Für die weitere Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und am beruflichen Gelderwerb werden wir für unser eigenverantwortliches Tun keinesfalls nur veränderte kognitive Fähigkeiten benötigen. Nötig ist immer mehr die Fähigkeit zu Selbstreflexion und zur Selbstorganisation. Nicht nur digital. Nicht nur analog.

Kleines Glossar zur digitalen Transformation:

[1] Analoge Ignoranz:Einseitiger Fokus auf die analog erlebte Realität bei Unkenntnis oder Missachtung gegenüber digitalen (sozialen) Medien, deren Möglichkeiten und Grenzen nicht überblickt werden.

[2] Collaboration: Die medienvermittelte, intensive, befristete Zusammenarbeit in übergreifenden Teams.

[3] Computational Thinking: Ein Problem erfassen, kontextsensitive digitale Lösungen konzipieren und mit dem Einsatz digitaler Mittel konkrete Maßnahmen der Problemlösung umsetzen.

[4] Co-Working Space: Gemeinschaftsraum mit temporär gemieteten Arbeitsplätzen als Ort der Begegnung, der gemeinsamen Arbeiten und des Teilens von Wissen und Erfahrungen.

[5] Digital-analoge Realität: Zusammenspiel von digitalen und analogen Realitäten, das in der erlebten Wirklichkeit zu digitalisierten sozialen Prozessen bewirkt.

[6] Digitale Demenz: Verfall mentaler und sozialer Kompetenzen durch übermäßige Nutzung digitaler Medien, wobei Wissen weniger gut erworben/behalten und alltägliche Verhaltensmuster nicht mehr angewandt werden.

[7] Digital Literacy: Souveräner Umgang mit Möglichkeiten und Grenzen von digitalen Medien in verschiedenen (medienvermittelten) Kontexten.

[8] Digital Reputation: Das Ansehen eines Menschen oder einer Organisation, das gespeist wird von der Reputation in sozialen Netzwerken und den im Internet zugänglichen Informationen.

[9] Open Knowledge Öffentlicher Zugang zur Wissensproduktion sowie freie Verfügbarkeit der dazu genutzten Informationsquellen und Ergebnissen zum eigenständigen Gebrauch.

Die ganz große Frage

Wo gibt es das Rezept für (meinen/unseren) Erfolg? Diese Frage begegnet mir als Hochschullehrer, Berater und Coach immer wieder. Ich kenne diesen Ort nicht, ich kenne nur grundlegende Prinzipien, um nachvollziehbar „erfolgreich“ zu sein.

Erfolg ist ein Maßstab des Erreichens von gesetzten Zielen. Um nachvollziehbare Aussagen über den Erfolg oder Misserfolg einer Maßnahme bzw. erzielter Wirkungen tätigen zu können, braucht es Erfolgsindikatoren. Dies gilt schon deshalb, weil es bei der Erfassung einer Problematik auch darum geht, dass die erwünschten Wirkungen

  • unter den gegebenen Bedingungen überhaupt erreichbar sind und
  • in irgendeiner Form messbar bzw. nachweisbar sind.

Beides ist gut abschätzbar, wenn man so präzise wie möglich zweckdienliche Indikatoren formuliert, mit deren Messung die initiierten Veränderungen erfasst werden sollen.

Welche Bedeutung haben Erfolgsindikatoren für Führungskräfte?

Führungskräfte orientieren ihr Tun/Unterlassen an der längerfristig erfolgversprechenden Weiterentwicklung der zu verantwortenden Wertschöpfung. Hierbei sind immer öfter Erfolgsvorstellungen mehrerer Stakeholder zu beachten und zu verwerten [2,3]. Um Maßnahmen mit hoher Akzeptanz zu ergreifen, benötigt man dann einen Bewertungsmaßstab und ein Anspruchsniveau mit quantitativen und/ oder qualitativen Angaben. Eine erkennbar gelebte Erfolgs-Konzeption beruft letztlich auf vier Fragen:

  1. Wie definieren wir/unser Auftraggeber den anzustrebenden Erfolg?
  2. Welche Voraussetzungen sind nötig, damit dieses Verständnis von Erfolg eintreten kann?
  3. Welche Ressourcen werden für diesen Erfolg benötigt?
  4. Welche Restriktionen sind zu beachten?

Zur nachvollziehbaren Beantwortung dieser Fragen und bei der Formulierung von Erfolgsindikatoren ist ein erkennbares Verständnis von Rationalität hilfreich. Rationalität kann man verstehen als bestimmte Art des Sprechens und (kognitiven) Handelns, die in sich einen logischen Sinn ergibt (Handlungslogik). Rationalität kann man ebenso verstehen als ein bestimmtes Vorgehen zur Bildung von Vorstellungen über die Realität mit dem dabei benutzten Relevanzfilters bei der Wahrnehmung der Umwelt (Konstruktionslogik). Eine (kognitive) Handlung oder ihr Resultat wird dabei von denen als „rational“ anerkannt, denen sie als „logisch konsequent“ erklärbar ist (Begründungslogik) [5]. In allen drei Fällen der Rationalisierung kommt dem Prozess der Kommunikation zwischen den Akteuren eine entscheidende Bedeutung zu für die fortwährende (Re)Konstruktion ihrer Vorgehenslogik [6].

Theoretiker und praktische Berater modellieren diesen Gedankengang häufig mit Gefügen aus abgegrenzten Mengen an Kommunikationszusammenhängen, die soziale Systeme genannt werden. Sie bestehen allein aus Kommunikationen, insbesondere von/in Entscheidungen. Personen sind in diesem Modell dann Quellen oder Adressaten von Kommunikationen und Teil der Umwelt einer als soziales System verstandenen Organisation(seinheit).

Organisation(seinheiten) sind Gemeinschaften mit einer ihnen eigenen Handlungs-, Begründungs- und Konstruktionslogik ihrer internen und externen Realitätsvorstellungen. Je vielfältiger eine Gemeinschaft in ein Umfeld eingebettet ist, desto unterschiedlicher sind die Rationalitäten, die an die Organisation herangetragen werden. Die Erwartungen und Erfolgsvorstellungen der verschiedenen Stakeholder sind trotz ihrer häufig auftretenden Widersprüchlichkeit in die organisationsinterne Entscheidungsfindung zu integrieren.

Um in der permanenten Weiterentwicklung der zu verantwortenden Wertschöpfung [1,2] anhand von formulierten Erfolgsindikatoren bewirkte „Erfolge“ nachweisen zu können, ist nach außen verständlich darzulegen, wie die konkurrierende Erwartungen in verbindlichen Prozessen der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden. Kurzum: Es braucht transparente multirationale Entscheidungen, um eine gemeinschaftliche Sinnkonstruktion (Sensemaking [6]) zu generieren und dadurch eine gute Akzeptanz von getroffenen Entscheidungen zu bewirken.

Der Lohn der Mühe ist eine erhöhte Legitimität der Entscheidung bei den heterogenen Stakeholdern und eine frühzeitige Wahrnehmung von Veränderungen des Umfeldes. Diese Frühwarnung liegt auch darin begründet, dass nur die Umweltinformationen zur Kenntnis genommen und organisationsintern grundsätzlich verarbeitet werden können, die passgenau eine der organisationsintern „gültige“ Rationalität andocken können. Werden verschiedene Rationalitäten mit ihren Gemeinsamkeiten und Unterschieden bedacht, werden auch Informationen erfasst, wenn sie nicht mit einer der benutzten Rationalitäten erkannt werden können. So können auch Erfolgsindikatoren formuliert werden, die verschiedene Rationalitäten erfassen.

Wie werde ich “erfolgreich”?

Um „erfolgreich“ zu sein ist es also sehr hilfreich, Erfolgsindikatoren zu formulieren und verschiedene Rationalitäts­ und Erfolgsvorstellungen in ihren Vor- und Nachteilen sowie in ihren Unterscheidungsmerkmalen zu kennen. Auf dieser Basis kann eine Verständigung auf einen gemeinsamen Referenzrahmen mit bestimmten Bezugspunkten erarbeitet werden. Manchmal kann es auch hilfreich sein, sich auf eine temporär einzunehmende Perspektive mit ihrer Rationalität zu einigen und sich entsprechend zu verhalten.

Es ist eine grundlegende Aufgabe des Managements, organisationsintern den bewussten Umgang mit multiplen Rationalitäten zu fördern und immer wieder zweckmäßige Erfolgsindikatoren zu formulieren. Dazu ist eine geübte Reflexionsfähigkeit nötig, um einerseits die eigene vorherrschende Rationalität mit ihren Vor- und Nachteilen zu kennen und andererseits fremde Rationalitäten in ihren Merkmalen zu erkunden. Diese Reflexionen kann man individuell oder kollektiv vollziehen: In einer individuellen Reflexion werden grundlegende eigene Gedanken notiert und spezifiziert. In darauffolgenden konsensorientierten Reflexionsrunden (z. B. mit Repräsentanten der Konzernzentrale, der Key-user oder von sonstigen Stakeholdern) wird dann gemeinsame multirationale Entscheidung abgeleitet und eine verbindliche und verbindende mentale Landkarte generiert.

Diese mentale Landkarte erlaubt den Beteiligten nachvollziehbare Aussagen über den erwartbaren Erfolg einer Maßnahme bzw. der damit erzielten Wirkungen zu treffen. Hierbei sind Erfolgsindikatoren keinesfalls zu ersetzten: Weil Erfolg ein Maßstab ist für das Erreichen von gesetzten Zielen, braucht Erfolg immer dazugehörige messbare Indikatoren.

Weiterführende Literatur:

[1] Rüegg-Stürm, Johannes; Grand, Simon (2015): Das St. Galler Management-Modell, 2. vollst. überarb. Aufl., Bern: Haupt (3. Aufl. 2017), insb. S. 241 ff.

[2] Rüegg-Stürm, Johannes; Grand, Simon (2019): Das St. Galler Management-Modell. Management in einer komplexen Welt, Bern: HauptT/UTB

[3] Rüegg-Stürm, Johannes; Schedler, Kuno; Schumacher Thomas (2015): Multirationales Management Fünf Bearbeitungsformen für sich widersprechende Rationalitäten in Organisationen; in: OrganisationsEntwicklung, Nr. 2 |2015, S. 4 – 11

[4] Schedler, Kuno (2012): Multirationales Management. Ansätze eines relativistischen Umgangs mit Rationalitäten in Organisationen; der moderne staat. Zeitschrift für Public Policy, Recht und Management (dms), 5. Jg., Heft 2/2012, S. 361-376

[5] Schedler, Kuno (2003): „… and politics?” Public Management Developments in the Light of two Rationalities, in: Public Management Review, 5(4), pp. 533-550.

[6] Weick, Karl E. (1995): Sensemaking in organizations, Thousand Oaks: Sage.